Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, Seite 5, 22.01.2008

„Gau für die Landesbank“

Ex-Banker kritisiert riskante Auslandsgeschäfte / Milbradt muss zwei Tage vor Ausschuss
 
Dresden. Monatelang dümpelte der Untersuchungs-Ausschuss zur SachsenLB vor sich hin. Immer wieder wurden Zeugen zu Ungereimtheiten beim Leipziger Geldinstitut vernommen, ohne nennenswertes Ergebnis. Nach dem Landesbank-Debakel samt Notverkauf allerdings hat sich die Lage geändert. Längst geht es nicht mehr um die SachsenLB an sich, im Zentrum steht vielmehr die Verantwortung der Politik – bis hin zu Regierungschef Georg Milbradt (CDU). Entsprechend angespannt war die Stimmung bei der U-Ausschusssitzung gestern. Denn angekündigt war Claus-Harald Wilsing, ein 41-jähriger Banker. Und der Herr in Nadelstreifen ist ein Insider ersten Ranges. Stand er doch bis 2005 an der Spitze der SachsenLB Europe, jener Dependance mit Sitz in Dublin (Irland), die die Landbank in den Ruin geführt hat.

Und Wilsing wurde seiner Rolle gerecht. Was der Banker zu berichten hatte, ist allemal geeignet, die Staatsregierung in die Bredouille zu bringen. Das fängt mit der Gründung des Tochterinstituts 1999 an. Noch unter Milbradt als Finanzminister, so Wilsing, sei damals die strategische Entscheidung gefallen, die SachsenLB ins Auslandsgeschäft zu führen. Der Punkt jener strategischen Fehlleistung, die zum Notverkauf geführt hat, habe aber erst im Sommer 2005 stattgefunden – unter Ex-Finanzminister Horst Metz (CDU). Er selbst habe zu diesem Zeitpunkt darauf gedrängt, die Dubliner Tochter mit bis zu 500 Millionen Euro Gewinn zu verkaufen, sagte Wilsing. Das Gegenteil aber sei passiert. Er habe gekündigt, und die exorbitanten Risikogeschäfte fingen an – vor allem mit der Zweckgesellschaft Ormond Quay.

An dieser Neuausrichtung ließ Wilsing kein gutes Haar. Ormond Quay sei ohne Obergrenze „massiv“ ausgebaut worden, am Ende auf über 17 Milliarden Euro – mehr als der Jahreshaushalt des Freistaates. Und das Schlimmste: Per Sonderklausel sei vereinbart worden, dass die SachsenLB – und damit das Land – das gesamte Risiko übernimmt. Für die kleine Landesbank sei das „der Gau“ gewesen, meinte Wilsing.

Dabei sei der Kreditausschuss der SachsenLB am 16. Juni 2005 über die „gesamte Risikosituation“ informiert worden. Anwesend war hier laut Wilsing neben Metz auch der damalige Staatssekretär bei Wirtschaftsminister Thomas Jurk, Christoph Habermann (beide SPD). Und die geheime Botschaft des Bankers dabei lautete: Beide Seiten der Koalitionsregierung, CDU wie SPD, waren über die enormen Risikogeschäfte der Dubliner Filiale informiert – und seien sehenden Auges in die Katastrophe marschiert.

Nach diesen Aussagen sparte die Opposition nicht mit Kritik. „Die von der Staatsregierung gepflegte Legende, sie sei von den Ereignissen in Dublin überrascht worden, ist ad absurdum geführt“, sagte Klaus Tischendorf (Linke). „Die Regierung hat die Warnzeichen in den Wind geschlagen“, sagte FDP-Obmann Andreas Schmalfuß. Und Michael Weichert (Grüne) forderte, den Auftrag des U-Ausschusses zu erweitern.

Dagegen sieht Günther Schneider (CDU) keine neue Lage nach der Sitzung. „Die Aussagen des Zeugen bieten keine Grundlage für die von der Opposition konstruierten Vorwürfe.“ Für eine spezielle Würze sorgte anschließend SPD-Mann Karl Nolle. Auf seinen Antrag hin wird die Vernehmung von Milbradt im U-Ausschuss Ende März verlängert – von einem auf zwei Tage.
von Jochen Kochinke

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