Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 22.01.2008

„Ein zu großes Rad gedreht“

Die riskanten Finanzdeals der Landesbank wurden laut Ex-Chef Claus Wilsing viel zu stark ausgeweitet.
 
Dresden. „Ich kenne keine Bank, die mit so wenig Eigenkapital ein so großes Rad gedreht hat.“ Hinterher ist auch Claus-Harald Wilsing klüger. Dabei darf sich der smarte 41-jährige Banker getrost als „Vater“ des Dublin-Geschäfts sehen, das im Spätsommer 2005 die Sachsen Landesbank in Schieflage brachte und letztlich zu ihrem Notverkauf führte. Gestern nun stand Wilsing, heute Vorstand der Deutschen Apotheken- und Ärztebank, dem Untersuchungsausschuss des Landtags Rede und Antwort.

Bis zu seinem Ausscheiden als Vorstand der Dubliner Landesbank-Tochter Sachsen LB Europe Ende 2005 seien die Geschäfte profitabel gewesen, bekräftigte Wilsing mehrmals. Doch er sah Grenzen: Zu geringes Eigenkapital, mangelnde Vertriebswege – das Dublin-Geschäft habe nicht mehr wachsen können. Wilsing riet zum Verkauf. Ein Angebot von rund einer halben Milliarde Euro habe vorgelegen. Doch der Freistaat habe, so interpretiert Wilsing, nicht sein „Tafelsilber“ verkaufen wollen.

Explosionsartige Ausweitung

Im Juni 2005 habe er die Risiken des von ihm entwickelten riskanten Finanzvehikels Ormond Quay in Höhe von fünf Milliarden Euro für „verkraftbar“ gehalten. „Vollkommen schleierhaft“ sei ihm die dann nahezu „explosionsartige“ Ausweitung. „Ein bisschen zu unkritisch auf der Risiko-Seite, aber zu ehrgeizig auf der Ertragsseite“ sei man da wohl geworden, vermutet Wilsing.

Solche Entscheidungen zur Ausweitung der Geschäfte, erläuterte er, hätten prinzipiell zunächst den Vorstand, dann den Kreditausschuss und zuletzt den Verwaltungsrat der Bank durchlaufen müssen. In beiden zuletzt genannten Gremien saß Ex-Finanzminister Horst Metz (CDU). Mitte Juni 2005 sei, so Wilsing, im Kreditausschuss offenbar die entscheidende Weichenstellung erfolgt: Ormond Quay konnte ohne Limit weiterwachsen. Im Sommer 2007 betrug der mögliche Maximalverlust durch Ormond Quay dann bereits 17 Milliarden Euro – bis Ende 2007 hätte er auf 25 Milliarden steigen können. Die Zahlen wurden außerbilanziell verbucht – dadurch hatten es auch die Verwaltungsräte schwerer, den Überblick zu behalten. Kritisches wie ein Prüfbericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG wurde ihnen vorenthalten.

Doch Wilsing überraschte auch mit anderen Details. So machte ihm die Bank 2004, um ihn zu halten, ein großzügiges Angebot: Wilsing durfte quasi nebenberuflich 2004 eine eigene kleine Vermögensverwaltung aufbauen, die AC Capital. Sie machte wiederum Geschäfte mit der Sachsen LB Europe. Die Holding, die mit dieser AC Capital in Verbindung stehe, sei in Zypern angesiedelt, erzählte Wilsing.

Milbradt vor Vernehmung

Zwei Bewohner der Insel waren gestern zu ihrer Vernehmung gar nicht erschienen: Ex-Vorstandschef Michael Weiss und Lebensgefährtin Andrea Braun, Ex-Chefin der Landesbank-Tochter MDL. Nach SZ-Informationen ging ihre Vorladung zu kurzfristig raus. Die nächsten Zeugen stehen aber fest: Ex-Finanzminister Thomas de Maizière muss am 21. Februar auf Heimatbesuch zur Aufklärungsfront in Dresden reisen. Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) ist am 31.März geladen. Für ihn beschloss der Ausschuss einstimmig, zwei Tage zur Befragung anzusetzen.
Von Annette Binninger

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: