Freie Presse Chemnitz, 25.01.2008
Pechers Ausfälle gegen Milbradt belasten die Koalition
SPD-Abgeordneter fällt nach Kreisreform-Abstimmung über den Regierungschef her — Zwickauer OB, Dietmar Vettermann tritt aus der CDU aus
Dresden. Am Abend, nachdem die Abstimmung über die Kreisreform gemeistert war, stießen einige Abgeordnete koalitionsübergreifend an. CDU und SPD hatten am Mittwoch ihre bisher schwerste Bewährungsprobe gemeistert. Doch beim Krisengipfel gestern Mittag wurde der Frieden erneut auf eine harte Probe gestellt. Grund waren Ausfälle der SPD-Abgeordneten Karl Nolle und Mario Pecher gegen Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU).
Hochrangige Regierungsmitarbeiter wollten es lieber zuerst schwarz auf weiß protokolliert sehen. Umso größer die Empörung,als vorlag, was Pecher unmittelbar nach der durchgewunkenen Kreisreform im Plenum gesagt hatte. Eigentlich hätte er die Reform ablehnen müssen, um die Verantwortlichkeit für eine politische Riesensauerei einzufordern, gab der Zwickauer zum Besten. Es sei nicht vermittelbar, dass kleine Leute mit der geballten Staatsmacht gejagt würden, sich aber jemand, der hunderte Millionen Euro veruntreut habe, hinter anderen verstecke und seine Hände in Unschuld wäscht.
Wen Pecher meinte, scheint klar: Als Lebensgefährte der CDU-Abgeordneten Kerstin Nicolaus wittert der SPD-Mann den Ministerpräsidenten als Urheber der Amtsenthebung der Hartmannsdorfer Bürgermeisterin wegen Untreue. Allen Dementis und anderslautenden Informationen zum Trotz hält er offenbar an seiner Version fest.
Pechers Reaktion sei nicht vom Verstand gesteuert, bemühten sich gestern Fraktionskollegen um Verständnis. Doch das fehlte bei der CDU, Milbradt und bei seinem Fraktionschef Martin Dulig. Die SPD stehe für eine konsequente Aufarbeitung der Vorgänge um die SachsenLB, versicherte Dulig. „Persönliche Diffamierung und Kriminalisierung, wie der Vorwurf der Untreue, gehören nicht dazu." Gestern Nachmittag reichte Landtagsvizepräsident Gunther Hatzsch (SPD) einen Ordnungsruf gegen Pecher nach.
Die SPD stehe zur Koalition, versicherte Dulig. Doch daran ließ sein Fraktionskollege Nolle erneut starke Zweifel aufkommen. Er hatte am Mittwoch Pecher mit der Bemerkung assistiert, Milbradt habe in der Bankaffäre die Rolle eines oberklugen Dickkopfes eingenommen. Dieser müsse die politische Verantwortung für das Debakel übernehmen. Er hoffe, dass Milbradt von allein gehe und nicht wie ein starrköpfiger Bauer von seiner Partei vom Hof gezerrt werden müsse.
Dietmar Vettermann, Oberbürgermeister von Zwickau, hat unterdessen seinen CDU-Austritt erklärt. Er reagiere damit auf den Verlust der Kreisfreiheit für Zwickau. Im Sommer wolle er als Kantor auf die dänische Ostseeinsel Arö ziehen.
VON HUBERT KEMPER