Karl Nolle, MdL

Süddeutsche Zeitung, 14.02.08 -, 19.02.2008

BayernLB: Der Fall Huber - Wenn jeder lügt, wie er's braucht

 
Unangenehme Aussprache nach dem Milliarden Debakel der bayerischen Landesbank: Bayerns Finanzminister Huber muss sich gegen Rücktrittsforderungen der Opposition wehren. Der Vorwurf: Er habe den Landtag belogen - oder die BayernLB als Aufseher nicht im Griff.

Erwin Huber lächelt in die Kameras. Man könnte es, wenn man es gut mit ihm meint, als ein strahlendes Lächeln interpretieren - treffender aber ist wohl die Beschreibung "tapfer". Der Vize-Vorsitzende des BayernLB-Verwaltungsrats muss an diesem Donnerstagmorgen dem Abgeordnetenplenum erklären, warum er vor dem Haushaltsausschuss des Landtags am Dienstagnachmittag die befürchteten Milliardenverluste der bayerischen Landesbank noch als "reine Spekulation" bezeichnet hatte - der Vorstand der BayernLB aber mit den konkreten Zahlen am Mittwoch aber an die Öffentlichkeit ging.

Für Huber bedeutete das eine Riesen-Blamage: Er hatte als maßgeblicher Aufseher bis zuletzt steif und fest behauptet, vor April könnten keine konkreten Zahlen über die Verluste durch die US-Immobilienkrise genannt werden. Wenig später werden von der Bank dann ganz offiziell Verluste in Höhe von 1,9 Milliarden Euro befürchtet.

"Der Vorwurf der Informationsverweigerung geht absolut ins Leere", sagt Finanzminister Huber erst einmal, und seine Fraktion klatscht brav. "Von Verschleiern kann nicht die Rede sein. Gerade mir kann ein solcher Vorwurf nicht gemacht werden!", tönt er vom Rednerpult.

Die Opposition ist da anderer Ansicht. SPD-Landtagsfraktionschef Franz Maget hält Huber vor: "Entweder der Minister hat es besser gewusst - dann hat er gelogen; oder er war ein ahnungsloser, unwissender und naiver und damit ungeeigneter Ressortchef." Maget fügt hinzu: "Sie können sich gerne aussuchen, welcher Vorwurf ihnen lieber ist."

Der Herr Minister wählt zwar nicht, stellt aber mit Nachdruck fest: "Der Vorwurf der Lüge ist abwegig." Huber beteuert, er habe die Zahlen zum Jahresabschluss bei der Sondersitzung am Mittwoch zum ersten Mal gehört: "Ich kann am Dienstag nicht Zahlen nennen, die ich erst am Mittwoch erfahren habe."


Der Griff zur Glocke

Der Vorstand der BayernLB habe zwei mögliche Strategien zur Veröffentlichung des Jahresabschlusses gehabt, erklärt Huber. Und nun habe die Bank eben die zweite Variante gewählt, um die Spekulationen um mögliche Milliardenverluste zu beenden. Er, Erwin Huber, hätte schon am 23. Januar als einziger aus dem Verantwortungsbereich der Landesbank öffentlich darauf hingewiesen, dass Belastungen in Höhe von mehr als 100 Millionen Euro möglich seien.

100 Millionen? Das ist angesichts der tatsächlichen Milliardenlast doch etwas niedlich.

Es wird laut im Plenarsaal. Landtagspräsident Alois Glück von der herrschenden CSU schüttelt den Kopf und schaut grimmig in die Runde. Glück hat heute viel zu tun. Immer wieder will er zur Glocke greifen, um zur Ruhe zu mahnen. Meistens lässt er es dann aber doch bleiben.

Während Maget redet, ruft ein CSU-Abgeordneter dazwischen: "Jeder lügt sich's so, wie er es braucht!" An dieser Stelle wird es Alois Glück doch zu bunt. Er schüttelt entschlossen die Glocke und versucht, zu Wort zu kommen. Währenddessen beginnt Maget seinen Satz zum vierten Mal. Der Sozialdemokrat sagt, er wäre dankbar, wenn die Abgeordneten ihm zuhören würden. Am Ende kann sich aber der Landtagspräsident durchsetzen: "Die Bezichtigung der Lüge ist keine Form der parlamentarischen Debatte", mahnt er.

"Lüge" ist das zentrale Thema an diesem Morgen. Der Vorwurf wandert von einer Fraktion zur anderen. Der Grüne Eike Hallitzky zum Beispiel wirft Huber vor, wissentlich die Unwahrheit vor dem Haushaltsausschuss gesagt zu haben. Der Finanzminister habe damit seine persönliche und politische Glaubwürdigkeit verloren: "Treten sie zurück!"

Der CSU-Chef studiert seine Hände

Der CSU-Chef Huber, seit vielen Jahren eine Stammkraft seiner Partei, betrachtet eingehend seine Hände. Rücktritt? Nein, er sieht nicht so aus, als ob er einen solchen Schritt vorhätte. Aber wie, bitteschön, soll man erklären, dass eine halbstaatliche Bank mehr als eine Milliarde am US-Immobilienmarkt verzockt hat?

Verwaltungsrat Huber gibt sein Bestes. Er versucht es mit dem Hinweis auf das positive operatives Ergebnis von etwa einer Milliarde Euro, das die Landesbank vorlegen kann. Die Opposition lässt das nicht gelten: Die französische Großbank Société Générale habe auch ein positives Ergebnis vorgelegt - und trotzdem druch Zockereien fast fünf Milliarden Euro verloren. Ein positives Ergebnis müsse nicht unbedingt ein gutes Ergebnis sein.

Da bringt Finanzkenner Huber das Argument ein, dass die Krise ja auch für Experten, Banken und Ratingagenturen überraschend kam - es könne ja wohl niemand verlangen, dass der Verwaltungsrat der BayernLB klüger als die gesamte internationale Finanzwelt sein müsse. Die Opposition will auch das nicht gelten lassen: Die Finanzierung von Immobilien in den USA würde nicht zum öffentlichen Auftrag der BayernLB gehören - "Dies sind Geschäfte, die die Landesbank überhaupt nichts angehen", schimpft SPD-Fraktionschef Maget.

"Das war nicht schön, Herr Huber"

Schließlich weist der unter Druck geratene Huber darauf hin, dass er erst seit seinem Amtsantritt als Finanzminister im Oktober 2007 als stellvertretender Verwaltungsratsvorsitzender die Kontrolle der Landesbank verantwortet. Dafür hat die Opposition nur ein im Chor gerufenes "Ohhhh" übrig.

"Das war nicht schön, Herr Huber, nicht schön!", ruft ihm einer aus der Grünen-Ecke noch hinterher, als Huber das Rednerpult verlässt. Der CSU-Obere nimmt die vier Stufen zu seinem Platz mit zwei Sätzen, sehr dynamisch. Fürs erste hat er es geschafft.

Am Ende zitiert Oppositionspolitiker Maget den Finanzminister mit einem Interview, das er im Dezember gegeben hat. Damals habe Huber erklärt, er hätte wegen der Landesbank einen guten Schlaf. Maget sagt: "Das war der Fehler: Hätten sie lieber nicht gut geschlafen, sondern besser aufgepasst!"

Da muss Erwin Huber lachen. Dieses Mal wirkt es nicht tapfer, sondern herzlich.

Von Sarina Märschel,(sueddeutsche.de/schä)

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