Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 21.02.2008

Interna aus dem Panzerschrank

Geheimes Material zur Landesbank wirft ein neues Licht auf die Affäre – und auf Milbradt
 
Dresden. Die Sammlung ist gewaltig, das Material ist hochintern. Rund 225 Aktenordner lagern in einem abgesperrten Raum in vier Stahlschränken gegenüber vom Landtag. Zutritt haben nur wenige Eingeweihte aus einem U-Ausschuss, und jeder, der eintreten will, wird registriert und überwacht. Der Grund für die Geheimhaltung rund um den so genannten Giftschrank: Bei den Akten handelt es sich um Material zur Landesbank-Affäre – allemal ein Thema von politischer Brisanz.

Hier gibt es Neuigkeiten. Mehrere dutzend Seiten der internen Verschlusssache aus dem Panzerschrank liegen dieser Zeitung vor. Und ihr Inhalt mit dem Stempel „VS-vertraulich amtlich geheim halten“ ist geeignet, ein neues Licht auf die riskanten Geschäftspraktiken der Landesbanker in Dublin zu werfen. Gleichzeitig gewähren sie Einblicke in die finanzpolitische Gemütslage der SachsenLB-Spitze schon 1999/2000 – und in die von Regierungschef Georg Milbradt (CDU) persönlich.

Genau in diese Zeit, 1999, fällt die Gründung der SachsenLB-Tochter in Dublin, die mit ihren Hochrisikogeschäften acht Jahre später zum Notverkauf des gesamten Geldhauses führte. Milbradt wiederum hat als damaliger Finanzminister laut Aktenlage sehr wohl die grundsätzliche Neuorientierung der Bank auf internationale Finanzmärkte unterstützt. Dabei ging es um Ertragsmaximierung, Steuervorteile in Irland und – schon im Jahr 2000 – um die Befreiung von Obergrenzen für Risikogeschäfte.

Zentral ist hier das Protokoll einer internen Sitzung des Präsidialausschusses der SachsenLB vom 9. Juni 2000 in Leipzig. Anwesend waren neben dem Vorsitzenden Milbradt auch Peter Krakow, der ehemalige Chef der Sparkasse Leipzig, Michael Czupalla, CDU-Landrat aus Delitzsch, sowie der damalige Chef der SachsenLB Michael Weiss. Thema unter anderem war Dublin, und eben hier hat sich Milbradt nicht nur für dieses Engagement interessiert. Es ging ihm ganz offensichtlich um die Ausweitung der Geschäfte (siehe Ausriss).

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„Der Minister betont das Interesse am Wachstum, insbesondere am Ertragswachstum der SachsenLB“, heißt es an einer Stelle im Protokoll. Dem aber standen Bedenken der Aufsicht entgegen. So hatte das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAKred) den Antrag der Banker, die Dubliner Tochter per Ausnahmegenehmigung von so genannten Großkreditobergrenzen zu befreien, am 28. April 2000 abgelehnt. Milbradt aber fragte, „wann Dublin funktionieren“ werde – und wann mit dem Ja der Bankenaufsicht zu rechnen sei.

Dabei hatten die Aufseher in ihrem Schreiben an den Vorstand vom 28. April 2000, das dieser Zeitung vorliegt, bereits Klartext gesprochen. Von „erheblichen Zweifeln“ ist die Rede, dass die Bank die Voraussetzungen für die neue Geschäftsidee erfüllt. Unkomfortabel ist vor allem die Begründung: Es sei festzustellen, „dass eine wirksame zentrale Großrisikosteuerung derzeit in Ihrem Hause nicht besteht“. Im Klartext: Die Risikoeinschätzung sei mangelhaft, die Ausnahmegenehmigung werde nicht erteilt.

Für die Bank war das eine schlechte Nachricht. Denn Sinn der Dubliner Tochter war es von Anfang an, Gewinne für die Leipziger Mutter über Kredit- ersatzgeschäfte – so genannte Synthetic Assets – zu erzielen. Laut einer vertraulichen Vorlage vom 20. Mai 1999, unterschrieben unter anderem von Weiss, ging die Bankspitze von einem „für 2000 geplanten Bestand an Synthetic Assets von fünf Milliarden Euro“ aus. Und schon damals offenbarte sich ein Missverhältnis, das die Bank später in die faktische Pleite führte: Den Fünf-Milliarden-Deals sollte lediglich eine Eigenkapitaldecke von mindestens 6,4 Millionen und höchsten 250 Millionen gegenüber stehen.

Eben dieses Verfahren wurde 1999 unter Verwaltungsratschef Milbradt erarbeitet, unter dessen Nachfolger Thomas de Maizière (CDU) 2001 beschlossen und schließlich in der Amtszeit von Ex-Finanzminister Horst Metz (CDU) bis auf unglaubliche 44 Milliarden erweitert. Dabei gab es auch später Warnungen genug. So findet sich im Giftschrank ein Schreiben der Bankenaufsicht an Metz vom 4. Februar 2005. Demnach jonglierte die Bank zum Stichtag 31. August 2004 bereits mit spekulativen Asset-Backed-Securities in Höhe von 13,5 Milliarden Euro; hinzu kamen Deals in Höhe von 30,3 Milliarden außerhalb der Bilanz. Die Bemerkung der Aufseher ist schneidend: „Dabei halte ich es für bemerkenswert, dass dieser Bestand innerhalb von nur zwei Jahren erheblich angestiegen ist.“

Noch deutlicher wurden die Wirtschaftsprüfer von KPMG im Auftrag der Bankenaufsicht. Nachdem sie in ihrem Bericht undurchsichtige Dokumentationen und mangelnde Risikodarstellung moniert hatten, notierten sie trocken: „Die Strategie der SachsenLB setzt somit voraus, dass es grundsätzlich nie zu Marktstörungen kommt.“ Das war am 29. April 2005. Reichlich zwei Jahre später war die Marktstörung da – und die Bank pleite.
Von JÜRGEN KOCHINKE

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