Lausitzer Rundschau, 12.03.2008
Finanzminister Tillich stellt Gutachten zur Sachsen LB vor
Sachsen Regierung sieht keine politische Verantwortung
Sachsens Regierung sieht bei sich keinerlei politische Verantwortung für die Krise der Landesbank. Das hat Finanzminister Stanislaw Tillich (CDU) gestern bei Vorlage eines Berichts der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young in Dresden klar gemacht. Allerdings müssen nun frühere Vorstände der Sachsen LB mit juristischen Folgen rechnen. Laut Tillich geht der Prüfbericht an die Staatsanwaltschaft Leipzig. Zudem würden zivilrechtliche Schadenersatzforderungen geprüft.
Eine gute Stunde, nachdem der vorsichtig tastende Finanzminister Stanislaw Tillich verschiedenste Journalistenfragen mit immer wieder ähnlichen Aussagen zur Landesbank-Krise beantwortet hatte, ergriff Peter Zimmermann plötzlich das Wort. «Es gab klare Fehlentscheidungen in der Bank» , sagte der Dresdner Regierungssprecher, «mangelnde Transparenz» und «Informationsverluste bei Führungswechseln» . Trotz einer langen Kette von Gremien seien die Risiken der Landesbank tragischer Weise nicht erkannt worden. Der Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) fände es sehr ärgerlich, «dass die Ereignisse um die Sachsen LB das Bild des Freistaates so lange ungut beeinflusst haben».
Damit war die regierungsamtliche Lesart zur Aufarbeitung des Debakels der verkauften Landesbank klar: Für den Niedergang der Sachsen LB sind einzig führende Bankmanager verantwortlich, nicht aber Versäumnisse der Politik und insbesondere der Regierung. Die treffe keine Schuld am Debakel der Bank.
Tillich war gestern vor die Presse getreten, um das Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young zur Sachsen LB vorzustellen.
Demnach haben die Bank-Vorstände den Aufsichtsgremien zentrale Informationen über die im Jahr 2004 gestarteten, außerbilanziellen Risikogeschäfte vorenthalten. Sicherheiten und Garantien seien «nicht in den Risikomanagementsystemen der Bank erfasst» worden und hätten «auch in den Risikoberichten keinen Niederschlag» gefunden. Auch die Jahresberichte der Sachsen LB seien ohne nötige Hinweise aufgestellt, geprüft und verabschiedet worden. Gremien wie der Kreditausschuss und der Verwaltungsrat seien «über mehrere Jahre unzureichend informiert» und «nicht annähernd» in der Lage gewesen, «die Schwere und Tragweite der Risiken ermessen oder beurteilen zu können».
Zu Gründen und Ursachen dieser Desinformation sagte Tillich allerdings nichts. Die Schuldfrage wolle er gerichtlich klären lassen und werde den Prüfbericht jetzt der Staatsanwaltschaft übergeben. Außerdem prüfe sein Haus Schadenersatzansprüche gegen die Bank-Vorstände. Das Weglassen der Angaben zu finanziellen Verpflichtungen seien für die Gutachter «ein Versäumnis des Gesamtvorstandes».
Tillich wies dabei auf eine besondere Situation der Sachsen hin: Für den «Ormond Quay» hätten die Landesbank und ihre Dubliner Tochter dank einer Patronatserklärung des Freistaates alle Risiken übernommen – die voll durch die Gewährträgerhaftung des Freistaats erfasst sind. Zwar habe eine Prüfung der Bundesfinanzaufsicht Bafin schon im Jahr 2005 eine Reihe von Mängeln aufgedeckt. Der Vorstand habe 2006 jedoch behauptet, dass alle Probleme behoben seien. Auch nach weiteren Warnungen vor der Immobilienkrise hätten die Manager ihre Aktivitäten «nicht begrenzt, sondern noch ausgeweitet» und kritische Nachfragen selbst im August 2007 noch mit beruhigenden Antworten abgetan.
Die Dubliner Banktochter «Sachsen LB Europe» hatte sich mit Milliarden-Spekulationen in Zweckgesellschaften wie «Ormond Quay» und «Georges Quay» auf dem US-Immobilienmarkt massiv verhoben und damit das Leipziger Mutterhaus in eine gefährliche Schieflage gebracht. Die Landesbank Baden-Württemberg kaufte daraufhin im vergangenen Jahr die einzige ostdeutsche Landesbank auf.
Für Milbradt zeigt der von ihm bestellte, umfangreiche Bericht auf, wie schwierig es war, die Ursachen in der Bank herauszufinden. Er dürfte sich von den Prüfern ein Stück weit entlastet sehen, nachdem er als Vater der Landesbank-Idee in den eigenen Reihen und beim Koalitionspartner SPD schwer unter Druck geraten war. Die Kritiker verstummten gestern allerdings nicht – sondern sehen Milbradt weiterhin in der Pflicht. «Für das Landesbankdesaster ist alleine Milbradt politisch verantwortlich», sagte SPD-Schwergewicht
Karl Nolle. Der Ministerpräsident habe jahrelang die Handlungen der Vorstandshasadeure trotz öffentlicher Warnungen gedeckt und sich um kleinste Einzelheiten der Bank gekümmert. «Das ist möglicherweise Beihilfe zur Milliarden-Untreue zum Schaden Sachsens.»
Auch die Linke erklärte, das von der Regierung bestellte Gutachten entlaste Milbradt keineswegs. Er müsse vielmehr erklären, «wieso er unfähige Manager über viele Jahre so protegiert hat, dass sie heute noch fürstliche Abfindungen kassieren» . Auch Grünen-Fraktionschefin Antje Hermenau erklärte, die Staatsregierung liege falsch, wenn sie aus dem Gutachten ableite, «sie trüge keine Schuld am Landesbankdesaster».
Einzig CDU-Fraktionschef Fritz Hähle nahm Georg Milbradt in Schutz: Der Ministerpräsident sei seiner Verantwortung «jederzeit gerecht geworden» und habe «den finanzpolitischen Supergau für den Freistaat abgewendet» . Auch die Gremien der Landesbank und die dort vertretenen Landes- und Kommunalpolitiker aller Parteien hätten «sich nichts zu Schulden kommen lassen» .
Von Sven Heitkamp