BILD Sachsen, 22.03.2008
Der Kurs der SPD muss wieder erkennbar sein!
BILD-Interview mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD)
BILD: Herr Minister, Sie sind auch stellvertretender Vorsitzender der SPD. Die Umfragen für die Partei sind im freien Fall. Können Sie sich das erklären?
Steinmeier: Wir hatten in den vergangenen vier Wochen schwierige Diskussionen in der Partei. Wir müssen den Menschen deutlicher sagen, wohin unser Kurs geht. Klar ist und bleibt: Die SPD wird nach der Bundestagswahl 2009 keine Experimente mit der Linkspartei eingehen. Dafür steht die ganze SPD, und dafür stehe ich persönlich. Die Sozialdemokraten sind und bleiben die Kraft der Mitte.
BILD: Wie lange hält die SPD einen solchen Kursrutsch noch aus?
Steinmeier: Die SPD hat eine 140-jährige Geschichte mit stolzer Tradition. Das muss man sich gelegentlich in Erinnerung rufen, um sich von aktuellen Umfragewerten nicht irre machen zu lassen! Gleichwohl: Ich will nicht verhehlen – die Diskussion, die wir heute führen, ist nicht einfach. Wir werden in den nächsten Monaten gemeinsam kämpfen müssen, Vertrauen zurückzugewinnen. Ich will dabei mithelfen, dass der Kurs der SPD wieder erkennbar und klar wird. Dabei müssen in der Partei alle mit anpacken.
BILD: Noch schlimmer als die SPD steht in den Umfragen Kurt Beck da. Ist er wirklich noch der richtige Chef?
Steinmeier: Beck ist und bleibt unser Parteivorsitzender! Ich kann nicht entdecken, dass es darüber in der SPD Diskussionen gäbe ...
BILD: ... und die Kanzlerkandidatur 2009? Sie haben sich mehrfach für Beck ausgesprochen. Jetzt liegen Sie in Umfragen deutlich vor Ihrem Parteichef ...
Steinmeier: Wir brauchen jetzt keine Personaldebatte, auch keine über Kanzlerkandidaten. Wir brauchen den gemeinsamen Blick nach vorn. Personaldiskussionen helfen uns nicht, politisch wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Erst müssen die Inhalte geklärt werden, mit denen wir ins Wahljahr gehen wollen. Die Personalfragen folgen dann. Nur so kann das stolze Schiff SPD wieder Fahrt aufnehmen.
BILD: Entscheidet Kurt Beck eigentlich ganz allein, wer Kanzlerkandidat wird?
Steinmeier: Beck wird seinen Vorschlag machen und das zur rechten Zeit.
BILD: Herr Minister, warum reagiert der Westen nicht schärfer auf den Terror der Chinesen gegen Tibet?
Steinmeier: Die Bundesregierung sagt den Chinesen unmissverständlich: Schaffen Sie Klarheit! Wir wollen genau wissen, was in Tibet passiert ist. China schadet sich selbst, wenn es ausländische Beobachter daran hindert, sich ein eigenes Bild der Lage zu machen. Zweitens sagen wir Peking: keine Gewalt! Das löst kein einziges Problem. Und drittens: Eine Lösung kann nur im Dialog liegen. Die Tibeter wollen ihre Kultur bewahren, China will politische Stabilität -- dafür müssen beide Seiten aufeinander zugehen.
BILD: Können Politiker aus dem Westen trotzdem guten Gewissens zur Eröffnung der Olympischen Spiele reisen?
Steinmeier: Diese Frage kann nur die Regierung in Peking beantworten. Es liegt im ureigenen Interesse Chinas, dass die Spiele ein Erfolg werden. Dazu gehört Frieden – auch in Tibet! Olympische Spiele funktionieren heute anders als vor 80 Jahren. Glanzvolle Veranstaltungen fürs Fernsehen, während es im Hinterland drunter und drüber geht – das geht heute nicht mehr.
BILD: Schert sich die Führung in Peking in der Tibet-Frage überhaupt um Proteste aus dem Ausland?
Steinmeier: Ich werde noch am Osterwochenende erneut mit dem chinesischen Außenminister telefonieren und über die Lage sprechen. Mein Eindruck ist: China registriert sehr genau, wie sein Ansehen durch die Bilder aus Tibet leidet.
Von ROLF KLEINE