Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 28.03.2008

Der Regierungschef im Zeugenstand

Am Montag muss Georg Milbradt vor dem Untersuchungsausschuss zur Landesbank aussagen.
 
Es ist ausgerechnet eine seiner Grundeigenschaften, die Georg Milbradt jetzt zum Verhängnis werden könnte: seine Detailversessenheit. Was hat der Ministerpräsident zu welchem Zeitpunkt gewusst? Oder hätte er gar durch Gegensteuern das Milliarden-Desaster der Landesbank Sachsen verhindern können? Und was ist mit der politischen Verantwortung für den Notverkauf der eigenen Bank? Diese Fragen soll Georg Milbradt am Montag dem Untersuchungsausschuss des Landtags beantworten. Mit Spannung wird erwartet, wie sich der prominente Zeuge den wichtigsten drei Vorwürfen stellt.

Vorwurf 1: Milbradt ist Architekt der Bankpolitik

„Georg Milbradt hat stets die Weichen gestellt für die Landesbank“, ist sich der Linkspartei-Abgeordnete Sebastian Scheel sicher. „Und er hat 2001 beim entscheidenden Strategiewechsel der Bank hin zum Kapitalmarkt-Geschäft schlichtweg versäumt, Kontrollmechanismen einzubauen“, kritisiert der Vize des Untersuchungsausschusses. Von 2003 an habe sich das Milliarden-Risiko der Bank aufgebläht. Scheel wird wie andere Oppositionspolitiker versuchen, die politische Grundverantwortung des Ministerpräsidenten dafür durch geschicktes Nachbohren herauszuarbeiten.

Milbradts Verteidigungsstrategie: Der Regierungschef wurde bisher stets gern „Vater der Landesbank“ genannt. Nach seinem Ausscheiden als Finanzminister habe er in keinem Aufsichtsgremium mehr gesessen, verteidigte er sich bisher.

Vorwurf 2: Genaues Wissen über Vorgänge in der Bank

Der Vorstand trägt die Alleinschuld an dem Milliarden-Desaster – so interpretiert die Staatsregierung ein von ihr bezahltes, vor Kurzem vorgestelltes Gutachten. Die Aufsichtsgremien seien unzureichend informiert gewesen, hätten daher gar nicht die Tragweite der Bank-Geschäfte mit riskanten US-Papieren erkennen können. Als „kollektive Amnesie“ bezeichnet Grünen-Fraktionschefin Antje Hermenau halb belustigt, halb verärgert diese Art der kollektiven Selbst-Entlastung. Dass Milbradt im Jahre 2001 Ex-Finanzminister Horst Metz (CDU) nur als loyalen Sachwalter seines finanzpolitischen Vermächtnisses eingesetzt hatte, sei ein offenes Geheimnis; auch dass in Wirklichkeit Milbradt die Finanz- und Bankpolitik des Freistaats weitergeführt habe. An dieser Stelle wetzt vor allem SPD-Obmann Karl Nolle für Montag schon die Messer, denn für unschuldig hält er den Regierungschef und das Finanzministerium nicht. Im entscheidenden Kreditausschuss seien die Risiken bekannt gewesen. „Die Finanzhasardeure im Bank-Vorstand haben unter den Augen, mit Wissen und Billigung der Staatsregierung und der Bankgremien ein unverantwortliches Fünf-Milliarden-Euro-Risiko auf die Schultern der Sachsen geladen und damit das Bankdesaster zu verantworten.“ Das will Nolle am Montag auch belegen.

Milbradts Verteidigungsstrategie: Nach seinem Ausscheiden als Finanzminister im Jahre 2001 habe er „keine Details“ mehr gekannt, versicherte Milbradt stets. Dies zu widerlegen, wenn es möglicherweise lediglich mündliche Informationen gab, wird schwer sein. Das weiß er.

Vorwurf 3: Versagen bei Krisenmanagement

Seit vier Jahren ist die Landesbank nicht aus den Schlagzeilen herausgekommen. Die Dauer-Affäre um die Ex-Vorstände – inklusive Vetternwirtschaft und Misswirtschaft, die verpatzte, teure Abberufung von Vorständen oder der langjährige Streit mit dem Tutzinger Leasingunternehmen IIL – hier soll Milbradt sogar sehr detailliert informiert gewesen sein – stets fehlte es an einem griffigen Krisenmanagement. „Georg Milbradt hat mit dem Verkauf der Bank Schadensbegrenzung betrieben“, meint CDU-Obmann Günther Schneider. Und das klingt eher zurückhaltend.

Milbradts Verteidigungsstrategie: Er wird erneut versuchen, die Landesbank-Krise durch die allgemeine Banken-Krise zu relativieren und seinen Verdienst beim Gelingen des Notverkaufs hervorheben.

Doch die „Retter-Version“ allein wird sogar in der CDU nicht ausreichen, um die parteiinternen Wogen um das Landesbank-Debakel zu beruhigen.
Von Annette Binninger

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