Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 31.03.2008

„Milbradt verfügt über größtes Wissen“

SPD-Fraktionschef Dulig zur Landesbank-Affäre und der Verantwortung des Ministerpräsidenten
 
Dresden. Kurz vor dem Auftritt von Regierungschef Georg Milbradt (CDU) im Untersuchungsausschuss zur Landesbank fordert SPD-Fraktionschef Martin Dulig politische Konsequenzen.

Frage: Die Verunsicherung über das Desaster der SachsenLB ist groß. Kann die Vernehmung des Ministerpräsidenten im U-Ausschuss Abhilfe schaffen?

Martin Dulig: Ich begrüße, dass es das Gremium gibt. Wir müssen klären, wer für die Beinahe-Pleite die Verantwortung trägt. Dafür ist der U-Ausschuss der passende Ort, da er überhaupt erstmal die richtigen Fragen stellen kann. Denn Aufarbeitung kann nicht allein über Gutachten laufen, sondern muss sich vor allem mit denjenigen beschäftigen, die die Landesbank aufgebaut und konstruiert haben. Darüber aber gibt es im Gutachten von Wirtschaftsprüfern wie Ernst & Young keine Aussagen.

War die Expertise damit überflüssig?

Das nicht, denn die Informationen von Ernst & Young helfen uns schon bei der Bewertung, weil sie die Abläufe in der Bank beleuchten und interne Verantwortlichkeiten beschreiben. Es stellt sich aber die Frage, ob der Schaden, der entstanden ist, auf reinen Managementfehlern der Banker beruht oder nicht vielmehr Folge der Grundkonstruktion der Bank ist.

Eine Art Sündenfall der frühen Jahre?

So kann man es sagen. Ursprünglich sollte es ja eine große ostdeutsche Landesbank geben, übrig geblieben aber ist eine kleine rein sächsische. Schon Anfang der 90er Jahre war die Sorge vorhanden, dass sie nicht nur klein, sondern zu klein war. Anscheinend ist eine solche Bank nur erfolgreich zu führen, wenn man ein hohes Risiko eingeht und viel Geld investiert. Man muss sich halt nur überlegen, ob man dieses Risiko auch eingehen will, zumal es sich um Geld der Steuerzahler handelt. Das allerdings ist eine politische Grundsatzfrage, die nicht von Bankvorständen entschieden wird.

Die Ausweitung der Geschäfte auf internationale Geldmärkte hat die SachsenLB in der Folge in den Ruin geführt. Wer trägt dafür die Verantwortung?

Spätestens ab 2001 ist die damalige CDU-Alleinregierung diesen Weg gegangen. Das war kein Zufall, sondern vorbereitet. Das sind alles Bausteine, wo immer wieder neu politisch entschieden wurde, das genau so zu machen und mit Steuergeldern zu spekulieren.

Noch vom damaligen Finanzminister Milbradt?

Das muss der U-Ausschuss klären. Nur klar ist schon heute: Der damalige Finanzminister und jetzige Ministerpräsident verfügt über das größte Wissen, wann und wo etwas auf politischer Ebene entschieden wurde. Zum Monopoly gehören immer mehrere Mitspieler. Da sind Bankvorstände, Gremien und so weiter. Aber es gab auch jemanden, der die Spielregeln geschrieben hat. Eine entscheidende Regel war, dass Freistaat und Kommunen die geringe Eigenkapitaldecke der Bank ausgleichen, indem sie die Haftung für die Hochrisikogeschäfte der Banker übernehmen. Das damit entstandene Risiko ist nirgendwo abgebildet, letztlich aber lag es beim Land.

Worin bestand die Aufgabe der Vorstände?

Sie sollten die Braut aufhübschen für die Hochzeit mit anderen Landesbanken. Und dafür sollte nicht bloß gekleckert, sondern geklotzt werden. Hier stand klar das Ergebnis im Vordergrund, nicht die Methode. Darüber wurde politisch entschieden.

Sollte Milbradt persönlich Konsequenzen ziehen?

Es ist nicht meine Aufgabe, eine Personaldiskussion, die Angelegenheit der CDU ist, anzustrengen und zu führen. Dass ich die Rolle des Ministerpräsidenten aber kritisch sehe, habe ich bereits im Dezember gesagt. Das habe ich auch nicht zurück zu nehmen. Nur, am Ende muss jeder für sich selbst entscheiden, welche Konsequenzen er aus Fehlern zieht. Ich erwarte allerdings, dass sich jeder seiner Verantwortung stellt.

Was ärgert Sie besonders beim Thema Landesbank?

Die Unverfrorenheit, mit der man den Menschen in Sachsen bei jedem Haushaltsplan, seit ich denken kann, eiserne Sparsamkeit verordnet hat. Bei jeder noch so kleinen Idee im Kita-, Jugend- oder Bildungsbereich lautete das Credo des Finanzministeriums: Geht nicht, wegen drohender Zukunftslasten. Jetzt wissen wir, dass schon damals aus den Geschäften der Landesbank und dem übernommenen Risiko für den Freistaat die größte Zukunftslast überhaupt geschaffen wurde. Es macht wütend, dass man offensichtlich nur in den kleinen Dingen kleinlich war.
Interview: Jürgen Kochinke

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