Sächsische Zeitung, 02.04.2008
Was hat die Vernehmung von Georg Milbradt gebracht?
Nach der Befragung des Regierungschefs durch den Untersuchungsausschuss bleiben weiterhin viele Fragen offen.
Für seine Verhältnisse nahezu ausgelassen stellte sich Georg Milbradt gestern am zweiten Tag seiner Befragung dem Untersuchungsausschuss des Landtags. Wesentlich ergiebiger als am Vortag wurde der siebenstündige Frage-Marathon aber auch diesmal nicht; dafür wurde der Regierungschef, der sein Wissen über den Niedergang der Landesbank preisgeben sollte, immer misslauniger. Die SZ fasst die fünf wichtigsten Ergebnisse der zweitägigen Vernehmung des Zeugen Milbradt zusammen.
Erkenntnis 1: Milbradt kannte Details zur Bank
Er sei „fallweise informiert“ worden, hat Georg Milbradt in seiner Befragung eingestanden. Wo das anfing und wo aufhörte in jedem Einzelfall, diese Antwort blieb er teilweise schuldig. Milbradt weist die Alleinschuld für das Bank-Debakel den Bank-Vorständen zu. Solange keiner von ihnen oder ihre Ansprechpartner im Finanzministerium als Zeugen gehört worden sind, bleibt Milbradts Version unwidersprochen im Raume stehen. Der Regierungschef hat sich formal auf die ihm durch sein Amt vorgegebene Zuständigkeit zurückgezogen. Der Finanzminister habe sein Ressort allein geführt, so Milbradt.
Erkenntnis 2: politische Verantwortung ungeklärt
Die Frage nach der politischen Verantwortung lässt Georg Milbradt weiterhin unbeantwortet. Zu einer möglichen persönlichen Verantwortung geht er weit auf Distanz: Die Politik könne nicht haftbar gemacht werden, weil sie durch Vorstandsversagen gar nicht ausreichend informiert gewesen sei. Der riskante Milliarden-Poker der Landesbanker habe die politische Ebene gar nicht erreicht. Die Opposition wird sich damit nicht abspeisen lassen. Der Druck auf Milbradt in dieser Frage bleibt bestehen.
Erkenntnis 3: Ausschuss bleibt Beweise schuldig
Die große Überraschung bei dieser Zeugenbefragung blieb aus. Stattdessen wurde heftig und unabgestimmt durcheinander gefragt; eine Endlosschleife von Wiederholungen strapazierte die Geduld aller Zuhörer. Gewagtes Fazit eines Grünen- Abgeordneten: Milbradt habe sich im Ausschuss nicht „entlasten“ können. Das aber musste er auch nicht. Stattdessen hätte das Aufklärungsgremium – soweit Beweise und Belege vorhanden – ihn belasten müssen. Das aber ist den Abgeordneten – bisher – kaum gelungen. Auch für Ministerpräsidenten im Zeugenstand gilt der Grundsatz: Solange keine Schuld bewiesen ist, hat er als unschuldig zu gelten.
Erkenntnis 4: Koalition durch Bank belastet
Die Landesbank bleibt eine schwere Bürgschaft für das ohnehin immer wieder schwächelnde Zweckbündnis von CDU und SPD. Der Streit um die Verantwortung dafür könnte zum Zeitzünder für die Regierungskoalition werden. Auch gestern sparten beide nicht mit gegenseitigen öffentlichen Verbalattacken. „Professor Hase“, nannte SPD-Mann
Karl Nolle den Regierungschef. Die CDU giftete umgehend zurück. Die Fronten sind abgesteckt. Zudem hat Milbradt durchaus auch einen Vertrauensriss in seiner eigenen Partei zu kitten: Dass ausgerechnet Staatskanzleichef Michael Sagurna vor seinem Amtsantritt nahezu zwei Jahre für einen der größten Prozessgegner des Freistaats, den Tutzinger Unternehmer Ludwig Hausbacher, als Berater tätig war, sorgt innerhalb der CDU für Irritationen.
Erkenntnis 5: Etappensieg, kein Befreiungsschlag
Der Regierungschef hat sich in diesen zwei Tagen hartnäckig und zäh durch die stundenlange Ausschuss-Mühle gearbeitet und sie mit nur leichten Blessuren überstanden. Viele Sympathie-Punkte hat er dabei trotz ungewohnter Lächel-Offensive nicht gemacht. Er hat einen Etappensieg erreicht, aber ein Befreiungsschlag ist es nicht. Erledigt ist das Kapitel Landesbank damit nicht. Seine Zeugenaussagen müssen bei den nächsten Befragungsrunden im Ausschuss erst noch die Gegenprüfung bestehen. Die nächste politische Hürde wartet schon auf den Regierungschef: die Kommunalwahl am 8.Juni. Sollte die CDU dabei einigermaßen gut abschneiden, könnte sich Milbradts Spitzenkandidatur für die Landtagswahlen 2009 nur noch schwer jemand entgegenstellen.
Von Annette Binninger