Lausitzer Rundschau, 01.04.2008
Regierungschef beschuldigt im Untersuchungsausschuss Bank-Manager
Milbradt sieht sich schuldlos an Pleite der Sachsen LB
Sachsen Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) hat vor dem Landtags-Untersuchungsausschuss jede Verantwortung für das Debakel der Sachsen LB zurückgewiesen. „Für falsche Entscheidungen und Einschätzungen der Manager einer Bank im Mitbesitz des Freistaates ist der Ministerpräsident nicht verantwortlich“, sagte Milbradt.
Georg Milbradt, der häufig so mürrisch und zugeknöpft wirkende Dresdner Regierungschef, beginnt den gestrigen Tag mit einer Charmeoffensive. Minutenlang geht er lächelnd und scherzend durch den Saal A 600 des Landtags, schüttelt viele Hände der Abgeordneten, als habe er Geschenke zu verteilen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall.
Der Regierungschef muss im Zeugenstand des Landesbank-Untersuchungsausschuss ausführlich zum Zusammenbruch der Sachsen LB Rede und Antwort stehen. Die irische Tochter des Leipziger Geldhauses, Sachsen LB Europe, hatte sich in den letzten Jahren auf dem US-Kreditmarkt massiv verspekuliert. Das angeschlagene Mutterhaus war daraufhin in einer Schieflage geraten in einem spektakulären Notverkauf an die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) abgetreten worden. Der Freistaat musste dabei jedoch zur Risikoabschirmung eine Landesbürgschaft von 2,7 Milliarden Euro übernehmen.
Angesichts der prekären Lage hat sich Milbradt auf den Auftritt bestens vorbereitet und startet die Vernehmung mit einem zweieinhalbstündigen Eingangsstatement. Darin weist der Ex-Finanzminister jedwede Mitschuld an dem Debakel von sich. „Während meiner Zeit in den Gremien der Bank habe ich immer größten Wert darauf gelegt, risikoarme Geschäfte einzugehen.“ Diese solide Strategie habe sich ausgezahlt, „es wurden immer schwarze Zahlen geschrieben“, betont Milbradt. Nicht die Bank an sich sei das Problem gewesen und er sei seiner Verantwortung und Pflicht stets gerecht geworden. In der aktuellen Finanzkrise habe er sich erfolgreich für den Verkauf der Bank an die LBBW eingesetzt.
Die eigentliche Schuld für die Schieflage lastet Milbradt stattdessen den Bank-Managern an: Die Aufsichtsgremien seien von den Vorständen über Jahre hinweg „unvollständig“ über die Risiken der Kapitalmarktgeschäfte informiert worden. „Wenn dem so ist“, so Milbradt, „dann kann dem Ministerpräsidenten nicht vorgeworfen werden, er habe eine realistische Vorstellung gehabt oder haben müssen.“ Es könne keine politische Haftung für Vorgänge geben, die die politische Ebene nicht erreicht hätten.
Problem Auslandsgeschäfte
Milbradt verweist dabei auf ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young, das sich mit der Verantwortung für die Schieflage der Landesbank beschäftigte. Das Problem sei erst die massive Ausweitung der Auslandsgeschäfte und die Gründung außerbilanzieller Zweckgesellschaften mit großen Risiken gewesen. Diese seien erst ab 2004 und insbesondere Mitte 2005 ins Leben gerufen worden, als er nicht mehr für die Bank zuständig gewesen sei. Die Verantwortung dafür trage allein der Vorstand der Sachsen LB. „Für falsche Entscheidungen und Einschätzungen der Manager einer Bank im Mitbesitz des Freistaates ist der Ministerpräsident nicht verantwortlich“, so Milbradt. Dieses Prinzip gelte ebenso für ihn – wie für die West LB in Nordrhein-Westfalen oder für die angeschlagene Mittelstandsbank IKB und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Wenig beeindruckt von Vortrag
Der kleine Koalitionspartner SPD und die Opposition zeigten sich von Milbradts Vortrag allerdings wenig beeindruckt und verweisen auf die spezielle sächsische Vorgeschichte: Schließlich war der Volkswirtschaftler von 1990 bis 2001 unter Kurt Biedenkopf (CDU) Finanzminister des Freistaates, er hatte die einzige ostdeutsche Landesbank ab 1991 mit aufgebaut und war bis 2001 Vorsitzender der Aufsichtsgremien. Außerdem habe er sich als Regierungschef ab 2002 häufig in Vorgänge der Bank eingeschaltet. Grünen-Obmann Michael Weichert kann sich daher schlechterdings vorstellen, dass der viel gepriesene Finanzexperte erst im August 2007 über die Existenz und den Umfang der Zockerei erfahren habe. „Ich bleibe dabei: Herr Milbradt trägt für das Finanzdebakel und den Landesbank-Crash die politische Verantwortung“, sagte Weichert. „Wenn nicht Milbradt die politische Verantwortung trägt, wer denn dann?“ fragte FDP-Chef Holger Zastrow. Auch für SPD-Mann
Karl Nolle ist die Glaubwürdigkeit Milbradts mit dem Auftritt keineswegs wiederhergestellt.
Für den früheren Vorstandschef der Landesbank, Michael Weiss, ging unterdessen ein langer Rechtsstreit mit dem Freistaat gestern erfolgreich zu Ende: Weiss erhält laut einem Vergleich mit dem Land noch eine Zahlung von 310 000 Euro, teilte das Leipzig Landgericht mit.