Netzeitung.de, 10:35 Uhr, 04.04.2008
Milbradt bringt CDU in die Bredouille
Die Krise der Landesbanken wird immer mehr auch zur Krise der jeweiligen Landespolitiker. In Bayern steht CSU-Parteichef Huber in der Kritik, in Sachsen Ministerpräsident Milbradt.
Georg Milbradt war lange Zeit der ungekrönte König in Sachsen. Doch wegen des Debakels um die SachsenLB ist der Ministerpräsident mittlerweile schwer angeschlagen. Auch wenn er im Untersuchungsausschuss zur SachsenLB diese Woche kaum Federn lassen musste, hat der Druck aus den eigenen Reihen auf den CDU-Politiker kaum nachgelassen. Nicht wenige in seiner Partei möchten ihn möglichst schnell loswerden. Weil Milbradt aber nicht an vorzeitigen Rücktritt denkt, steckt die sächsische CDU in einem Dilemma.
Milbradt musste im Landtagsausschuss Anfang der Woche erklären, wie es zu der spektakulären Beinahe-Pleite der ostdeutschen Landesbank kommen konnte. Mit schneidender Stimme wies der 63-Jährige im Saal 600 des Landtags jegliche Verantwortung für den Niedergang der Bank zurück und zeigte mit dem Finger auf die ehemaligen Bankmanager. Er wirkte dabei angespannt, aber immer gut vorbereitet. Er habe in den Wochen vorher regelrecht Akten gefressen, heißt es in seinem Umfeld.
In der CDU atmeten manche auf. Die Sorge war groß, Milbradt könnte in die Enge getrieben werden und damit auch seine Partei gleich mit beschädigen. Hieb- und stichfeste Beweise dafür, dass der Regierungschef im Bilde war, konnte die Opposition in der quälend langen Zeugenvernehmung dann aber nicht vorlegen.
Doch auch so fragen sich viele in Dresden, ob Milbradt, der als detailversessen bekannt ist, nicht vielleicht doch mehr wusste und ob nicht etwas mehr Demut angesichts der Misere angebracht gewesen wäre. Tatsächlich gilt er als der Architekt, als «Vater» der Bank. Und nicht einmal in seiner Partei mag man dem Professor der Volkswirtschaft abnehmen, dass er sich nach dem Wechsel vom Finanzministerium in die Staatskanzlei nicht mehr für sein «Kind», das Leipziger Geldhaus, interessierte.
Im Etat könnten bis zu 2,75 Milliarden fehlen
Ausgelöst wurde die Krise, nachdem sich eine Tochter der SachsenLB mit riskanten Geschäften auf dem US-Hypothekenmarkt massiv verspekuliert hatte. Nur durch einen Notverkauf an die Landesbank Baden-Württemberg konnte die drohende Pleite der ostdeutschen Landesbank im vorigen Jahr abgewendet werden.
Der Freistaat musste jedoch zur Risikoabschirmung eine Landesbürgschaft von 2,75 Milliarden übernehmen und haftet bei Ausfällen bis zu dieser Höhe — eine schwere Hypothek für das Land und Milbradt selbst. Vertreter des kleinen Koalitionspartners SPD und der Opposition forderten bereits seinen Rücktritt. «Wenn nicht Milbradt die Verantwortung für das Debakel trägt, wer denn dann?», fragt Antje Hermenau von den Grünen.
«Die Stimmung in der Fraktion hat sich nach der Vernehmung insgesamt etwas aufgehellt», sagt ein ranghoher CDU-Mann. Milbradt sei gut sortiert gewesen. «Aus dem Schneider ist er aber nicht», glaubt er. Tatsächlich scheint der Regierungschef das Thema Landesbank nicht loszuwerden. Fast täglich gibt es neue, wenig erfreuliche Nachrichten. Wenig Freude kommt etwa in den sächsischen Kommunen auf, die sich in der Vergangenheit über Ausschüttungen freuen durften und nun den Einnahmeposten wohl streichen können.
Die Strategen in der Sachsen-Union sehen deswegen mit großem Unbehagen in die Zukunft. Befürchtet werden Verluste bei den anstehenden Teilkommunalwahlen im Juni. Zudem treibt sie die Sorge um, die CDU könnte auch bei der Landtagswahl 2009 einbrechen, sollte der Spitzenkandidat erneut Georg Milbradt heißen. Schließlich habe sein Ruf als Finanzexperte gelitten, heißt es. Der Leipziger CDU-Mann Volker Schimpff fürchtet gar, die Union habe im Freistaat das Grundvertrauen bei den Menschen verloren.
Sorge vor ruppigem Wechsel wie bei Biedenkopf
In den letzten Wochen und Monaten gab es vorsichtige Absetzbewegungen und Bemühungen, Milbradt möglichst ohne Blessuren für alle Beteiligten zum Rückzug zu überreden. Fritz Hähle, langjähriger CDU-Fraktionschef, soll es versucht haben. Auf keinen Fall wolle er, dass ein möglicher Wechsel wie einst bei Milbradts Vorgänger Kurt Biedenkopf ablaufe, erklärte er in einem Interview. Vor sechs Jahren hatte es dabei unschöne Szenen gegeben. Biedenkopf musste, geplagt von Affären, mehr oder weniger aus dem Amt getragen werden.
Im Gespräch als möglicher Nachfolger Milbradts ist wieder Thomas de Maiziére, der das Kanzleramt in Berlin leitet, aber seinen Hauptwohnsitz noch in Dresden hat. Auch Landesfinanzminister Stanislaw Tillich werden Ambitionen nachgesagt. Spätestens im Herbst soll auf einem Landesparteitag über die heikle Frage entschieden werden. Ob und wer seinen Hut in den Ring wirft, ist indes ungewiss. Klar scheint nur, dass Milbradt seinen Platz in der Staatskanzlei unter der vergoldeten Kuppel nicht freiwillig räumen will. «Wer will es denn werden?», soll er vor kurzem in der Fraktion angriffslustig gefragt haben. (Lars Rischke, AP)