Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 09.04.2008

„Letzter Warnschuss“

Nach den SPD-Attacken in der SachsenLB-Affäre stellt Milbradt offen die Koalitionsfrage
 
Dresden. Es ist gegen 13.30 Uhr im Regierungsviertel an der Elbe. Eben ist eine denkwürdige Krisensitzung des schwarz-roten Kabinetts zu Ende gegangen, mehrere CDU-Minister verlassen die Staatskanzlei in Dresden. Was sie zur Koalition mit der SPD zu berichten haben, klingt wenig erbaulich. Das Bündnis stehe „auf der Kippe“, sagt der eine, „wir können uns doch nicht dauernd vorführen lassen“. Und zwei andere meinen unisono: „Der Ministerpräsident hat Tacheles geredet“, seine Worte seien ein „letzter Warnschuss an die Adresse der SPD“.

All dies sind Umschreibungen für das, was man Endzeitstimmung nennt. Spätestens seit den Attacken von SPD-Mann Karl Nolle gegen Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) wegen dessen Privatgeschäfte bei der Landesbank hat die Unionsspitze genug vom fragilen Bündnis – und stellt die Koalition in Frage. Milbradt, heißt es aus der Ministerrunde, sei „drauf und dran“, die SPD-Ressortchefs Thomas Jurk und Eva-Maria Stange aus dem Kabinett zu befördern. Das habe er beiden auch so klar gemacht – „wie eine kalte Dusche“.

Aus SPD-Kreisen wird eine leicht andere Lesart offeriert. Sehr wohl habe es sich um „eine laute Sitzung“ gehandelt. Jurk aber habe Flagge gezeigt und Milbradt im Kabinett mitgeteilt, er hätte „das so nicht getan“. Gemeint sind eben jene Privatgeschäfte des Regierungschefs bei der Landesbank.

Dabei richtet sich das forsche Auftreten von Milbradt nicht nur an die Adresse der SPD. Mit seinen Ansagen dürfte der Regierungschef auch die heutige Sitzung der CDU-Fraktion im Blick gehabt haben – um nach den Vorwürfen intern Stärke zu demonstrieren. Rückendeckung hat er gerade von jenen erhalten, die als Kronprinzen gehandelt werden: Kultusminister Steffen Flath und Finanzminister Stanislaw Tillich (beide CDU). Beide wollen offensichtlich nicht den Königsmörder geben. Scharf hätten sich darüber hinaus Staatskanzleiminister Michael Sagurna sowie Sozialministerin Helma Orosz (beide CDU) Richtung SPD zu Wort gemeldet, so die Nachrichtenlage hinterher, was ebenso Sinn macht. Schließlich ist der eine erst kürzlich von Nolle hart attackiert worden, und die andere befindet sich mitten im Dresdner OB-Wahlkampf und kann schlechte Meldungen nicht gebrauchen.

Nach der Kabinettssitzung ist der Beratungsmarathon der Krisen-Koalitionäre nicht am Ende. Jurk eilt sofort ins Wirtschaftsministerium 80 Meter Luftlinie von der Staatskanzlei entfernt, zur SPD-internen Besprechung mit Fraktionschef Martin Dulig. Danach ist klar: Die SPD-Spitze hat kein Interesse an einer weiteren Eskalation, und an einem offenen Bruch schon gar nicht.

Eben dieser steht jetzt aber akut auf der politischen Tagesordnung. Die Kabinettssitzung ist ein Wendepunkt in der Koalition, es herrscht endgültig Eiszeit zwischen CDU und SPD. Während in Dresden die Koalitionsspitzen getrennt einen Ausweg aus der Krise suchen, tagt die FDP-Fraktion in Annaberg-Buchholz. Auch bei den Liberalen ist seit langem bekannt, dass die CDU zunehmend die Nase voll hat vom Koalitionspartner, doch selbst im Fall der Fälle reicht es für eine schwarz-gelbe Mehrheit derzeit nicht.

So macht in Dresdner Polit-Kreisen das böse Wort vom Minderheitenkabinett die Runde – mit Duldung der FDP, versteht sich. Dies hat Milbradt schon vor knapp drei Jahren in kleinster Runde als Notlösung genannt, und mittlerweile dürfte die Not groß genug geworden sein. Dazu passt eine aktuelle Aussage von Holger Zastrow. „In der derzeitigen Konstellation“, meint der FDP-Chef, „ist alles besser als die Weiterführung von Schwarz-Rot.“ Zur Frage, ob dies unter Führung von Milbradt geschehen sollte oder nicht, ist seine Antwort ebenso klar: „Das ist die Entscheidung der CDU.“
Von JÜRGEN KOCHINKE

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