DNN/LVZ, 10.04.2008
„Das Fass läuft irgendwann über“
Nach CDU-Ultimatum spitzt sich Sachsens Koalitionskrise zu / Jurk geht auf Konfrontation
Dresden. Gegen Mittag ist der schmale Treppenaufgang vor dem Saal A 600 im sächsischen Landtag prall gefüllt. Überall stehen Mitarbeiter neben Journalisten und Kamerateams. Dann betreten die CDU-Minister Steffen Flath, Albrecht Buttolo, Michael Sagurna und Geert Mackenroth die Szene, das halbe Kabinett Milbradt auf Unionsseite. Allzu gesprächig ist das Quartett nicht, schließlich beginnt in Kürze die Krisensitzung der CDU-Landtagsfraktion – eine mit Spannung erwartete Beratung.
Dann erscheint der Hauptakteur das Tages, Regierungschef Georg Milbradt (CDU), und hinter ihm Fraktionschef Fritz Hähle, CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer sowie Sicherheitskräfte. Sofort ist er umringt von Reportern, die ihn mit Fragen traktieren. Was er denn zu sagen habe „zu den Vorwürfen“, will einer wissen. Milbradt lässt ihn stehen und geht in den Raum. Dabei ist die Lage ernst. Einen Tag zuvor hatte Milbradt dem kleinen Koalitionspartner SPD im Zuge der Landesbank-Affäre mit dem Ende des Bündnisses gedroht, falls SPD-Chef Thomas Jurk den Jagdtrieb des Abgeordneten
Karl Nolle (SPD) nicht bremst.
Doch auch in der CDU herrscht einige Unruhe, wegen des SachsenLB-Desasters allgemein, aber auch wegen des Unbehagens über Privatgeschäfte von Milbradt bei der Landesbank. So hatte die Staatskanzlei am Montag eingeräumt, dass das Ehepaar Milbradt von der SachsenLB 1996 und 1999 Kredite in Höhe von insgesamt 172 000 Euro in Anspruch genommen hat, um damit in Fonds einer SachsenLB-Tochter rund 360 000 Euro zu investieren.
Das ist seit Tagen Thema in der Union, und am Morgen vor der Fraktionssitzung war es das im Vorstand auch. Hier klang der Ton nicht nur freundlich. So war es Milbradt, der Ex-Minister Matthias Rößler, seinen schärfsten CDU-internen Kritiker, hart anging. „Du bedienst dich vergifteter Worte“, soll er nach Aussage von Teilnehmern dem Kreischef aus Meißen vorgeworfen haben. Kritisches sei allerdings auch in Richtung Milbradt zu hören gewesen, nicht nur von Rößler, sondern auch von den Abgeordneten Friederike de Haas, Andrea Dombois sowie Marko Schiemann, hieß es anschließend.
Hauptthema der Sachsen-CDU aber ist das belastete Bündnis mit der SPD. Landesvize Flath zum Beispiel meint schlicht und einfach: „Die Koalition stößt in unserer Partei und Fraktion auf noch weniger Gegenliebe als in der Regierung“. „Das Fass läuft irgendwann über“, sagt Fraktionschef Hähle Richtung Koalitions-„Partner“ SPD und würzt das mit einem beinharten Ultimatum: Bis Dienstag, also noch vor dem Plenum in der kommenden Woche, hätten die Sozialdemokraten nun Zeit, sich zum Bündnis zu bekennen – und damit auch gegen Nolle.
Das dürfte schwierig werden. Denn Jurk sind SPD-intern die Hände gebunden; weder kann er den Milbradt-Kritiker Nolle bändigen, noch kann er ihn aus der Partei befördern, wie das macher Unionschrist gerne hätte. Denn dann riskierte Jurk einen Aufstand in der SPD. Damit spitzt sich die Lage in der Koalition weiter zu – bis zum möglichen Bruch, wofür sich in inter- ner Sitzung bereits mehrere Christdemokraten ausgesprochen haben. Neben Schiemann waren das die Ex-Minister Steffen Heitmann und Horst Rasch.
Bei der SPD ist die Botschaft angekommen. Am späten Nachmittag geht Jurk zu Milbradt, anschließend stehen Beratungen in der SPD-Landesgeschäftsstelle an. Der Tenor danach lautet: Jurk will das CDU-Ultimatum nicht akzeptieren, in den kommenden Tagen wird sich die SPD zum Thema positionieren – das heißt auch zu einem möglichen Ende der Koalition.
Von JÜRGEN KOCHINKE