Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 15.04.2008

„Ein hervorragender Fachmann ...“

Von Dieter Schütz
 
Georg Milbradt hat die Erfolgsgeschichte Sachsens nach der Wende entscheidend mitgeprägt. Mit seinem Abschied geht eine Ära zu Ende.

Aller Anfang war schwer: Um die Entwicklung Sachsens zum ostdeutschen Musterland und den Anteil Milbradts daran würdigen zu können, muss man 18 Jahre zurückgehen. Mit dem Ende der DDR brach in Sachsen praktisch von heute auf morgen die industrielle Basis weg. Unrentable Großbetriebe gingen pleite, die Arbeitslosenzahlen kletterten in die Höhe und die Kommunen standen vor dem finanziellen Bankrott.

In dieser Lage übernahm der CDU-Politiker Kurt Biedenkopf im Oktober 1990 nach dem Wahlsieg der Union das Amt des Ministerpräsidenten: Biedenkopf berief den 1945 im Hochsauerland geborenen Georg Milbradt als Finanzminister in sein Kabinett.

Ein Glücksfall für Sachsen

Für den Freistaat war dies über Jahre hinweg ein Glücksfall. „König Kurt“ vermittelte den Sachsen das nötige Selbstbewusstsein, um die wirtschaftlich schwierigen Aufbaujahre meistern zu können. Georg Milbradt sorgte dafür, dass Land und Kommunen auf eine finanziell solide Basis gestellt wurden und genügend Geld für Investitionen zur Verfügung stand. Nicht zu vergessen der im vergangenen Jahr verstorbene ehemalige Wirtschaftsminister Kajo Schommer, dem die Ansiedlung wichtiger Betriebe gelang. Geradezu legendär wurde die „Wohngemeinschaft“ der Minister in der Biedenkopf-Villa in der Dresdner Schevenstraße, die zu Beginn der 90er Jahre die Geschicke des Landes bestimmte.

Wenn Milbradt Ende Mai nach sieben Jahren aus dem Amt des Ministerpräsidenten ausscheidet, geht eine Ära zu Ende: Das letzte Mitglied des Kabinetts Biedenkopf aus den Aufbaujahren nach der Wende verlässt die aktive Politik. Nach den beiden Westdeutschen Biedenkopf und Milbradt übernimmt mit dem Sorben Stanislaw Tillich zum ersten Mal ein Ostdeutscher die Regierungsgeschäfte im Freistaat.

Das Debakel um die Landesbank, das zu einem großen Teil der internationalen Finanzkrise geschuldet ist, schadete dem Ruf Milbradts als Finanzexperten ganz erheblich. Doch insgesamt hinterlässt der 63-Jährige dennoch eine überaus erfolgreiche Bilanz: Nach Bayern ist Sachsen das Land mit der geringsten Pro-Kopf-Verschuldung. In Dresden, Leipzig und Chemnitz haben sich in den vergangenen 18 Jahren industrielle Leuchttürme herausgebildet, die im Vergleich zu den meisten ostdeutschen und vielen westdeutschen Bundesländern für überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum gesorgt haben. Die Arbeitslosenzahlen gehen deutlich zurück – auch wenn die Quote mit derzeit landesweit 14,1 Prozent immer noch zu hoch ist.

Ohne Charisma

Die Stärken Milbradts können über seine Schwächen jedoch nicht hinwegtäuschen. „Er ist ein hervorragender Fachmann, aber ein miserabler Politiker“, hatte Biedenkopf im Januar 2001 über seinen späteren Nachfolger gesagt – und er sollte mit dieser Äußerung letztlich auch recht behalten.

Die Menschen vermissten bei Milbradt die charismatische Ausstrahlung seines Vorgängers. Die emotionale Seite des Menschen Milbradt blieb den meisten verborgen. Im Medienzeitalter kommt es jedoch darauf an, dass Ministerpräsidenten ihre Politik auch erfolgreich in der Öffentlichkeit verkaufen können – Milbradt gelang dies höchst selten. „Die persönliche Ausstrahlung ist eben immer die zweite Seite der Medaille. Man kann einen Menschen nicht einfach umkrempeln“, sagte der bisherige CDU-Fraktionsvorsitzende Fritz Hähle im August 2006 in einem SZ-Interview.

Milbradt – das zeigte sich erst recht in den vergangenen Monaten – war keiner, der über seinen Schatten springen und auch mal souverän Fehler eingestehen konnte.

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