Welt-Online, 04:00 Uhr, 10.04.2008
Milbradt droht SPD mit Bruch der großen Koalition
Dresden - Die Debatte über die Privatgeschäfte von Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) mit der Sächsischen Landesbank hat die Dresdner CDU-SPD-Koalition an den Rand des Bruchs geführt. In der Kabinettssitzung am Dienstag habe Milbradt mit einem Ende der Zusammenarbeit gedroht, bestätigten Regierungskreise gestern auf Anfrage. Der Regierungschef habe der SPD vorgeworfen, eine Kampagne gegen ihn zu fahren. Sie habe ihn und die CDU mehrfach heftig attackiert. "Das Vertrauen ist auf dem Nullpunkt", sagt ein Mitarbeiter der Staatskanzlei.
"Georg Milbradt erwartet einen vernünftigen Umgang miteinander", erklärte CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer im Gespräch mit der WELT. SPD-Chef und Wirtschaftsminister Thomas Jurk trage für seine Partei die Verantwortung. In der gleichen Kabinettssitzung gingen jedoch auch die SPD-Spitzen auf Distanz zur Union. Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange betonte, auch die Sozialdemokraten hätten in der Vergangenheit mehrfach an einen Ausstieg gedacht. Derzeit beteuern die Sozialdemokraten allerdings, dass sie zur Koalition stehen.
Hintergrund der aktuellen Auseinandersetzung sind Milbradts finanzielle Engagements bei der SachsenLB. Am Montag hatte die Staatskanzlei eingeräumt, dass das Ehepaar Milbradt von der Landesbank 1996 und 1999 Kredite in Höhe von insgesamt rund 172 000 Euro in Anspruch genommen hat, um damit in Fondsprodukte einer Landesbank-Tochter zu investieren. Die SPD verlangt dazu eine persönliche Erklärung Milbradts, der Regierungschef lehnt dies strikt ab. Er wirft der SPD vor, dass die Veröffentlichungen auf den SPD-Abgeordneten
Karl Nolle zurückgehen. Der Koalitionspolitiker hatte Milbradt in einer Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss nach dessen Privatgeschäften bei der Landesbank befragt.
In einer Krisensitzung der CDU-Landtagsfraktion herrschte gestern massiver Unmut sowohl über Milbradt als auch über die SPD. "Die Koalition stößt in unserer Partei und Fraktion auf noch weniger Gegenliebe als in der Regierung", beschrieb CDU-Vize und Kultusminister Steffen Flath die Lage. CDU-Fraktionschef Fritz Hähle stellte der SPD ein Ultimatum: Sie müsse bis Dienstag klären, ob sie opponieren oder regieren wolle. "Eine Skandalisierung werden wir nicht länger dulden", so Hähle.
Ein sofortiges Ende des Regierungsbündnisses war aber vorerst abgewendet. "Wir haben nicht vor, die Koalition zu verlassen", sagte Hähle der WELT. Grund ist vor allem der Mangel an Alternativen: In einer Minderheitsregierung droht der CDU, dass sie für ihre Vorhaben eine Zustimmung nur mit Stimmen aktiver und ehemaliger NPD-Abgeordneter bekommt, mit der FDP allein hat die Union keine Mehrheit. Allerdings stößt Milbradts Engagement auch in den eigenen Reihen auf Kritik. Der Regierungschef müsse der Öffentlichkeit seine Angelegenheiten erklären, forderte der Ex-Minister und Abgeordnete Matthias Rößler.
Die Zustimmung zu Milbradt ist bei den Wählern derweil gesunken. In einer Umfrage der "Dresdner Morgenpost" hatten sich 51 Prozent der Befragten für einen Rücktritt ausgesprochen. Die CDU unter Milbradt würden demnach derzeit noch 36 Prozent der Sachsen wählen - unter einem anderer Spitzenkandidaten zumindest 38 Prozent.
Von Sven Heitkamp