Freie Presse Chemnitz, 27.05.2008
„Das Geschäft ist schmutziger geworden"
Der scheidende CDU-Fraktionschef Fritz Hähle über das Verhältnis zur Regierung, zum Koalitionspartner und sein Leben nach der Politik
Dresden. Mit seinem Humor und von christlicher Überzeugung geprägten Kampfgeist gegen das Vergessen des DDR-Unrechts zählt er zu den markantesten Figuren der sächsischen Nachwende-Politik. Heute stellt Fritz Hähle (66) nach 14 Jahren als CDU-Fraktionschef sein Amt zur Verfügung. Sein Nachfolger wird Steffen Flath (51). Im Gespräch mit Hubert Kemper bilanziert Hähle seine Arbeit.
Freie Presse: Der „ewige Fritz”, wie Sie gern genannt werden, geht nun vorzeitig. Ein schmerzlicher Schritt?
Fritz Hähle: Nein, ein wohl überlegter und gut abgestimmter Schritt. Er ermöglicht der Union den fälligen Generationswechsel, legt die Führung des Freistaates in gute Hände und verhilft mir persönlich zu mehr Freiraum.
Freie Presse: Geht das so glatt, der Verzicht auf Dienstwagen, Fahrer, großes Büro und Zuarbeiter?
Hähle: Warum nicht? Der Arbeitsumfang wird kleiner, damit auch die Mitarbeiterzahl. Ich freue mich, künftig mehr Zeit für Garten, für Familie, auch für meine Mitarbeit in der Posaunenmission zu haben.
Freie Presse: So leicht fallt der Entzug von der Droge Politik? Also erlebt Sachsen nicht den Landtagspräsidenten Hähle?
Hähle: Man sollte nicht unumstößlich „nie" sagen. Aber derzeit schließe ich das aus. Im nächsten Jahr werde ich 67. Das ist ein gutes Alter, um den Ruhestand zu genießen.
Freie Presse: Was bleibt in der Erinnerung an den CDU-Fraktionschef?
Hähle: Ich hoffe viel Gutes. Zum Beispiel meine Initiative für den Comenius-Club mit 5o Vorträgen herausragender Persönlichkeiten. Oder viele Briefe an meine Fraktionskollegen, die ein Leitfaden für unsere politische Arbeit sein sollten.
Freie Presse: Kritiker haben ihnen mangelnde Kommunikation und Führung an zu langer Leine vorgeworfen.
Hähle: Defizite im Meinungsaustausch erkenne ich nicht. Wenn ich zu nachgiebig war und damit auch einen Mangel an Disziplin provoziert habe, dann liegt das an meinem Wesen. Aber 54 Abgeordnete sind 54 eigenständige Persönlichkeiten. Ein Fraktionschef ist weder weisungsbefugt, noch kann er Sanktionen aussprechen.
Freie Presse: Ihr designierter Nachfolger Steffen Flath hat mehr Augenhöhe mit der Regierung angekündigt. Heißt das, Sie waren nur Erfiillungsgehilfe der Regierung?
Hähle: In meiner Position müssen zwei extreme Positionen ausgeglichen werden: Die Eigenständigkeit der Fraktion gegenüber der Regierung und die Erwartung der Regierung, dass die Fraktion alles absegnet. Ich denke, in diesem Span-
nungsbogen habe ich mich bewegt, ohne mich dabei verrenkt zu haben.
Freie Presse: Das Niveau des Landtages verflacht zunehmend. Liegt es am Personal, den Parlamentariern?
Hähle: Der Landtag repräsentiert den Durchschnitt der Bevölkerung und versammelt nicht die Besserwisser des Landes. Auf die Zusammensetzung der Fraktion kann selbst der Parteivorstand kaum Einfluss nehmen. Auch das unterscheidet uns von der PDS. Was das Niveau der Debatten angeht: Natürlich behandeln wir nicht immer nur die Themen, die die Welt bewegen. Heute bestimmt viel klein-klein die Tagesordnung.
Freie Presse: Wie hat sich die politische Kultur in den letzten 18 Jahren entwickelt?
Hähle: Leider negativ. Ich muss leider sagen: Das Geschäft ist schmutziger geworden. Denken Sie an den Sachsensumpf, den vor allem die PDS als Frontalangriff gegen den Rechtsstaat ausbeuten wollte. Und es fällt mir der SPD-Abgeordnete
Karl Nolle ein, der sein Mandat dazu nutzt, um mit unbewiesenen Behauptungen und Verdächtigungen andere zu diskreditieren. Dabei hat Nolle die DDR-Zeit nicht miterlebt und kennt nicht die Angst, die in vielen Menschen steckt, wenn ihnen jemand nachstellte und Denunziation dazu diente, Menschen fertig zu machen.
Freie Presse: Wie stehen Sie zum Koalitionspartner SPD?
Hähle: Es ist eine Zwangsehe, die wir eingegangen sind, Für die CDU würde es mich freuen, wenn sie in der FDP künftig einen Partner findet, der in der Regierungsverantwortung Reife und Verlässlichkeit entwickelt. Dazu muss die FDP aber noch einen weiten Weg gehen.
Freie Presse: Der SPD sind Sie überdrüssig?
Hähle: Nein, wir haben einen Koalitionsvertrag und haben auch gemeinsam Erfolge erzielt. Mir graust es allerdings bei der Vorstellung einer Koalition aus PDS und SPD. Eine sozialistische Regierung würde in wenigen Jahren verfrühstücken, was Sachsen unter Führung der Union an Zukunftsvorsorge betrieben hat.
Freie Presse: Trauen Sie Stanislaw Tillich zu, der CDU zu alter Stärke zu verhelfen?
Hähle: Selbstverständlich. Tillich hat nicht sofort „Hier" gerufen, als die Wahl, das Amt des Ministerpräsidenten zu besetzen, auf ihn fiel. Er hat mit sich gerungen, bevor er ja sagte. Auch das spricht für ihn. Im Europaparlament hat er hohes Ansehen genossen, und in der Beherrschung der Landesbank-Notlage an Profil gewonnen. Tillich ist für die CDU und das Land eine gute Wahl.