Berliner Zeitung, 02.06.2008
Neuigkeiten aus dem Sachsen-Sumpf
Staatsschutz beschlagnahmt Akten von Opferhilfeverein
BERLIN. Ein Jahr ist es her, da sorgte der "Sachsen-Sumpf" bundesweit für Schlagzeilen. Ein kriminelles Geflecht aus Politikern, Staatsanwälten, Immobilienspekulanten und Rotlichtgrößen würde den Freistaat beherrschen, hieß es damals unter Verweis auf ein rund 150 000 Seiten starkes Dossier des Dresdner Verfassungsschutzes über die Organisierte Kriminalität in Sachsen. Inzwischen spricht die Landesregierung in Dresden von einem großen Missverständnis und davon, dass der "Sachsen-Sumpf" angeblich die Erfindung frustrierter Geheimdienstler gewesen sei. Allerdings werde weiter ermittelt.
Diese Ermittlungen richten sich nun aber wohl vorrangig gegen die einst mit dem "Sachsen-Sumpf" befassten Fahnder selbst. Am vergangenen Freitag durchsuchten Staatsschutzbeamte des Landeskriminalamtes Sachsen die Wohnung eines ehemaligen Dresdner Verfassungsschützers. Der Mann, der inzwischen zur Polizei versetzt worden ist, arbeitete in jenem Fachreferat, dass die jetzt so geschmähten Erkenntnisse über die Organisierte Kriminalität im Freistaat zusammengetragen hatte. Ihm wird nun vorgeworfen, Teile der Akten über den "Sachsen-Sumpf" Journalisten zugänglich gemacht, also Geheimnisverrat begangen zu haben.
Mehrere Ordner mitgenommen
Offenbar interessieren sich die Fahnder aber auch für die Tätigkeit des Ex-Verfassungsschützers im Verein Karo e.V., der sich dem Kampf gegen Zwangsprostitution verschrieben hat. Bei der Durchsuchung am Freitag wurden mehrere Ordner mit Unterlagen des Vereins beschlagnahmt, dem der Mann als ehrenamtlicher Helfer angehört.
Der im sächsischen Plauen registrierte Verein Karo kümmerte sich bislang um Opfer der Organisierten Kriminalität - Kinder und junge Frauen aus dem deutsch-tschechischen Grenzgebiet, die zur Prostitution gezwungen werden und Objekte krimineller Menschenhändler sind. Ein unbequemer Verein, der in der Vergangenheit wiederholt den Zorn der Dresdner Landesregierung auf sich gezogen hatte, weil seine Aktivisten um die Karo-Gründerin Cathrin Schauer in den Medien und auf Konferenzen immer wieder schonungslos offen die Versäumnisse des Freistaats bei der Bekämpfung der illegalen Prostitution im Grenzgebiet brandmarkten. Auch manche Aktionen des Vereins, etwa die Fluchthilfe für junge Frauen, die als Zwangsprostituierte in tschechischen Bordellen festgehalten wurden und sich nach Deutschland absetzten, verärgerten die Behörden.
Inzwischen erhält Karo keine Förderung durch das Land Sachsen mehr. Anfang des Jahres musste der Verein daher seine Arbeit einstellen. Mit der Durchsuchungsaktion vom Freitag, so fürchten Unterstützer des Vereins, soll nun möglicherweise der Versuch unternommen werden, Karo e.V. nachträglich auch noch zu kriminalisieren.
Andreas Förster