Agenturen, ddp-lsc, 15:56 Uhr, 11.07.2008
Untersuchungsausschuss möglicherweise in Teilen verfassungswidrig
Urteil zur Klage wegen Korruptionsaffäre am 29. August
Leipzig (ddp-lsc). Der Landtagsuntersuchungsausschuss zur vermeintlichen Korruptionsaffäre wird möglicherweise in Teilen für verfassungswidrig erklärt. Dies deutete sich am Freitag in der mündlichen Verhandlung der Organklage gegen die Regierung vor dem sächsischen Verfassungsgerichtshof an. Ausschusschef Klaus Bartl (Linke) räumte anschließend ein, es sei denkbar, dass das Gremium als solches zwar rechtens sei, jedoch einzelne Punkte des Untersuchungsauftrags fallengelassen werden müssten. Das Leipziger Gericht will sein Urteil am 29. August verkünden.
Der Untersuchungsausschuss hatte Organklage eingereicht, weil die Staatsregierung sich bislang weigert, Akten an das Gremium herauszugeben. Sie beruft sich dabei auf den angeblich rechtswidrigen Untersuchungsauftrag des Ausschusses. Der Prozessbevollmächtigte des Ausschusses, Martin Morlok, nannte die Haltung der Regierung einen «historisch singulären Fall von Totalverweigerung jeglicher Zusammenarbeit».
Dies sah die Staatsregierung, vertreten durch den Rechtsanwalt Klaus Finkelnburg, anders. In seiner Argumentation berief sich der Jurist hauptsächlich auf eine «unzulässige Vorabwertung» des Ausschusses: Das Gremium gehe schlichtweg vom Vorhandensein eines «korruptiven Netzwerks» in Sachsen aus, ohne dies überhaupt zu wissen. Nach Auffassung Finkelnburgs zielte der auf Drängen der Oppositionsparteien eingerichtete Ausschuss von Beginn an lediglich darauf ab, die Regierung als Verantwortlichen zu «entlarven». Das Gremium gleiche einem «Tribunal unter ausschließlich politischen Gesichtspunkten».
Dagegen pochte der Untersuchungsausschuss auf sein Recht als politisches Kontrollinstrument. In dieser Funktion sei er keiner richterlichen Neutralität verpflichtet, erklärte Morlok. Nachdem die Affäre an die Öffentlichkeit gekommen sei, habe die Opposition darauf reagieren müssen. Schließlich sei das Parlament das «Forum des Gemeinwesens», betonte der Düsseldorfer Rechtsprofessor.
Hintergrund der auch als «Sachsen-Sumpf» bezeichneten Affäre war das Bekanntwerden einer Datensammlung des Verfassungsschutzes zu angeblich kriminellen Netzwerken im Mai 2007. Nach umfangreichen Ermittlungen stellte indes die Dresdner Staatsanwaltschaft im Frühjahr 2008 die Verfahren gegen die in den Akten beschuldigten Juristen ein.
Sollte das Gericht Teile des Untersuchungsauftrages für verfassungswidrig erklären, werde es trotzdem keinen neuen Ausschuss geben, sagte Ausschusschef Bartl nach der Verhandlung der Nachrichtenagentur ddp. Nach Bartls Ansicht ist diese von der Gegenseite in Betracht gezogene Möglichkeit «absurd». Im neuen Ausschuss hätten aufgrund des Rotationsprinzips die Regierungsparteien von SPD und CDU den Vorsitz und Stellvertreterposten inne.
Die Staatsregierung warf dem Ausschuss vor, in ihren Aufgabenbereich «hineinzuregieren». Bei laufenden Ermittlungsverfahren hätten aktive Untersuchungen des Ausschusses in Form von Zeugenbefragungen «hier nichts zu suchen», sagte Finkelnburg.
Morlok warnte allerdings vor diesem «verführerischen» Argument, das bei unliebsamer parlamentarischer Kontrolle angebracht werde. Es sei nur in Ausnahmefällen zulässig und auch dann begründungspflichtig. Der Untersuchungsausschuss beziehe sich auf teilweise jahrelang zurückliegende Vorgänge, diese könne das Gremium nachfragen.
Von Verena Frick
(Weitere Quellen: Morlok und Finkelnburg in Leipzig, Bartl auf ddp-Anfrage)
ddp/vef/fgr
111556 Jul 08