Karl Nolle, MdL

Handelsblatt, 10.07.2008

Brisanter Bericht der Börsenaufsicht - Analysten verschweigen Risiken

 
Analysten und Manager der großen Ratingagenturen Standard & Poors (S&P), Moodys und Fitch haben die Gefahren der Subprime-Krise um US-Ramschhypotheken früh erkannt, ihr Wissen aber für sich behalten.

FRANKFURT. Dies hat jetzt die US-Börsenaufsicht SEC aufgedeckt. Sie veröffentlichte einen 37-seitigen Bericht, in dem zum Teil auch anonymisierte interne E-Mails zitiert werden. Darin mokieren sich die Analysten über ihre eigenen Ratings. Man schaffe ein "Monster", schrieb zum Beispiel ein hochrangiger Analyst an einen Kollegen im eigenen Hause über sogenannte Collateralised Debt Obligations (CDOs). Bei diesen werden oft strukturierte Anleihen nochmals umverpackt. "Hoffentlich sind wir alle reich und in Rente, wenn dieses Kartenhaus zusammenfällt", schrieb der Analyst.

Auch andernorts gab es Zweifel: Die Modelle, mit denen man die CDOs bewerte, würden nicht mal die Hälfte der tatsächlichen Risiken abbilden, schrieb eine Analystin. "Dies hätte von Kühen strukturiert werden können, und wir würden ein Rating vergeben." Die SEC fand auch de facto zahlreiche Beispiele, bei denen Ratingmodelle oft nicht die tatsächlichen Risiken der Anleiheprodukte abbildeten. Zudem sei häufig nicht transparent, an welchen Modellen sich die Agenturen orientiert hätten.

Die Ratingagenturen werden schon lange weltweit von Aufsehern und Politikern scharf kritisiert, weil sie komplizierte strukturierte Anleihen, die mit Subprime-Krediten unterlegt waren, lange sehr gut bewertet hatten. Erst vor gut einem Jahr begannen sie damit, die Ratings dieser Papiere herabzustufen. Die erst zu guten Noten und die späten Herabstufungen von Papieren im Wert von mehreren hundert Mrd. Dollar trugen zu den weltweit über 400 Mrd. Dollar aufgelaufenen Verlusten allein bei Banken im Zuge der Subprime-Krise bei.

Erst seit September 2007 müssen sich die Ratingagenturen bei der SEC registrieren. Seither hat die Aufsicht die Arbeit der Agenturen genau unter die Lupe genommen und einen sehr viel tieferen Einblick gewonnen als alle anderen Kritiker. "Wir haben beträchtliche Mängel bei den Ratingagenturen gefunden", sagt SEC-Chef Christopher Cox. Diese umfassten unter anderem Probleme bei den Ratingprozessen. "Wenn nicht genügend Mitarbeiter da waren, um den Job richtig zu machen, wurden die Verfahren mitunter verkürzt", moniert Cox.

So ist nach den Untersuchungen der SEC in den Jahren 2003 bis 2007 die Zahl der bewerteten CDOs je nach Agentur um ein Vielfaches gestiegen - die Zahl der dafür zuständigen Analysten erhöhte sich ungleich geringer. Um die ganzen Kriterien zu überprüfen und darzulegen, wo sie nicht mehr zeitgemäß oder ungenau sind, bräuchte man viel mehr Analysten und Arbeitsstunden, heißt es so auch in einer weiteren internen E-Mail, die der SEC-Bericht zitiert.

Probleme macht die US-Börsenaufsicht auch bei Interessenkonflikten aus. Die Ratingagenturen werden von den Emittenten bezahlt, deren Anleihen sie bewerten. Die SEC fand zwar keine Beweise dafür, dass die Bezahlung Einfluss auf die Ratings hatte, aber: Analysten nahmen an den Diskussionen über Gebühren teil. Bis Anfang 2007 beziehungsweise bis Oktober 2007 verhandelten sie bei zwei Agenturen direkt mit den Emittenten. In internen Diskussionen über die Bezahlung bestimmter Produkte sind die Analysten laut SEC noch immer bei einer Agentur involviert.

Es gibt gleichwohl aber auch gute Nachrichten. "Die Probleme werden schnell angegangen", sagt Cox. So würden die Aufseher weltweit kooperieren, und die Ratingagenturen seien sich ihrer Verantwortung bewusst. Alle Firmen hätten Reformen zugesagt, um die von der SEC angesprochenen Missstände zu beheben, betont auch Lori Richards, Direktorin der für die Einhaltung von Regeln (Compliance) zuständigen SEC-Abteilung.

Die US-Börsenaufsicht hat bereits vor einem Monat eine Reihe von Regeln für die Bonitätswächter vorgeschlagen. So sollen sie künftig unter anderem Auskunft darüber geben, welche Daten genau in die Bewertung von strukturierten Wertpapieren einfließen. Genaue Vorschriften für die Agenturen will die SEC noch in diesem Jahr aufstellen. Diese Regeln dürften weiter gehen als die bisherigen Selbstverpflichtungsregeln der Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (Iosco), meint Luis Maglanoc, Leiter des Kreditresearchs bei der italienischen Großbank Unicredit.

Noch ist die Einhaltung der Iosco-Regeln, die Ende Mai verschärft wurden, für die Agenturen freiwillig. Die EU will, dass sich die Ratingfirmen künftig auch bei einer europäischen Wertpapieraufsicht registrieren lassen. Diese soll dann auch die Einhaltung der Iosco-Regeln kontrollieren.
von Andrea Cünnen



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