Karl Nolle, MdL

FTD Financial Times Deutschland, FTD.de, 16.07.2008

Abgezockte Franchisenehmer

Sächsischer Sumpf
 
Moderne Kinderbetreuung rund um die Uhr, anspruchsvolles Lernprogramm - das pädagogische Konzept von Kindervilla überzeugte die Franchisenehmer. Nun ist der Betreiber insolvent - das Geld ist weg.

Vor vier Jahren unterschrieb die Diplom-Pädagogin Sylvia Zschau einen Vertrag mit der Kindervilla Franchise GmbH in Dresden. Auf deren Vermittlung nahm die 39-Jährige einen Kredit über 225.000 Euro bei der Dresdner Bank für Sozialwirtschaft auf.

Über 150.000 Euro für Franchisegebühr, Mietkaution und Businessplan musste sie gleich an die Kindervilla Franchise GmbH abführen. Eine Gegenleistung dafür hat sie nie bekommen. Kein Gebäude, keine Ausstattung, keine Betriebsgenehmigung. "Da ist nichts fair gelaufen", sagt Zschau, "Michalke hat gar keine Ahnung von Pädagogik, der hat die Kindervilla ausbluten lassen." Mittlerweile ist die Kindervilla, die als erster kommerzieller Kitabetreiber bundesweit expandieren wollte, insolvent. Die Staatsanwaltschaft Dresden hat gegen den damaligen Geschäftsführer Stephan Michalke und seine Frau ein Verfahren wegen Insolvenzverschleppung eingeleitet, gegen die bestehende Kindervilla in Dresden-Mitte läuft eine Räumungsklage.

Sylvia Zschau ist nicht die einzige Franchisenehmerin, die ihr Geld verloren hat. Sie ist allerdings die einzige, die bislang vor dem Oberlandesgericht Dresden einen Vollstreckungsbescheid über 50.000 Euro erstreiten konnte. Das Urteil in einem weiteren Fall steht an.

Die Gründer der Kindervilla hatten große Pläne: Mit dem Franchisekonzept wollten sie bis nach Österreich expandieren. Fast 30 Standorte waren angepeilt; bis heute gibt es nur zwei in Dresden.

Dubiose Geschäfte

Der Fall nährt Befürchtungen, dass kommerzielle Kitaanbieter eher auf ihren finanziellen Vorteil bedacht sind als gemeinnützige. Und gibt den Gegnern von Ursula von der Leyen Aufwind: Die CDU-Familienministerin will auch gewerbliche Träger staatlich fördern.

Dabei ist der Fall Kindervilla komplizierter. Stephan Michalke fiel schon früher wegen dubioser Geschäftspraktiken auf: Er hat Ende 2000 das Kolping-Bildungswerk Sachsen in die Insolvenz geführt und wurde dafür sieben Jahre später wegen Untreue auf Bewährung verurteilt. Gegen das Urteil hat Michalke Revision eingelegt. Die Gläubigerforderungen beliefen sich seinerzeit auf rund 60 Mio. Euro, es war eines der größten Wirtschaftsverfahren in Sachsen nach der Wende. Noch während gegen ihn ermittelt wurde, baute er sein neues Geschäft auf.

Gegründet wurde die Kindervilla von einer Erzieherin, Michalke erweiterte das Geschäft mit der Kinderbetreuung um ein Franchisemodell. Interesse zeigten vor allem arbeitslose Erzieherinnen, die sich mit dem Konzept selbstständig machen wollten. Ihnen wurden Kredite der Bank für Sozialwirtschaft in Dresden vermittelt, insgesamt über 2 Mio. Euro. Ein Großteil des Geldes wurde direkt auf das Konto der Kindervilla bei der gleichen Bank überwiesen. Dafür wollte Michalke den Franchisenehmern schlüsselfertige Immobilien übergeben. Es gibt nur zwei Fälle, in denen das glückte: in Dresden-Nord und in der Dresdner Basteistraße. Antje Hennig, die als Geschäftsführerin die ursprüngliche Kindervilla als BEB Dienstleistungs-GmbH weiterbetreibt, sagt: "Ich bin nur Untermieterin. Bei uns läuft alles völlig reibungslos." Die Räumungsklage bestätigt sie, betont aber, es gehe "um die Immobilie, nicht um die Betreuungseinrichtung".

Die Michalkes sind für Nachfragen nicht erreichbar. Dafür redet Udo Übelgünn, der Michalke noch aus Zeiten des Kolping-Bildungswerks kennt. Er war erst als Prokurist, ab 2006 dann als Geschäftsführer der Kindervilla Franchise GmbH tätig. Jetzt ist er so etwas wie der Nachlassverwalter. Er redet die Vorwürfe herunter. Es gäbe Probleme mit der Finanzierung, ja, aber von den rechtlichen Schritten will er nichts wissen. Dabei bestätigt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden der FTD die Ermittlungen.

Kurt Seitz, Unternehmensberater aus Leipzig, spezialisiert auf Krisenbewältigung ("ich bin Experte für Pleiten, Pech und Pannen"), hat acht von neun Franchisenehmern beraten. "Michalke hat die Leute hingehalten und vertröstet und schließlich um viel Geld geprellt", sagt Seitz, und: "Wo das Geld jetzt ist, weiß niemand." Er weiß jedoch von einer Stiftung. Deren Vorstände sollen Stephan Michalke und seine Frau sein.
von Marion Schmidt

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