Karl Nolle, MdL

Stuttgarter Zeitung vom 22.07.2008, 30.07.2008

Brüssel will Kreditspekulationen begrenzen

Handel mit Darlehen soll strenger reguliert werden - Bankenverbände protestieren
 
BRÜSSEL. Die EU-Kommission will Konsequenzen aus der aktuellen Finanzmarktkrise ziehen. Die europäischen Banken sollen künftig das Risiko beim Verkauf von Kreditpaketen nicht mehr vollständig an den Käufer weitergeben können.

Um künftig Fehlspekulationen von Banken in Europa zu erschweren, plant EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy eine deutliche Verschärfung der Kreditmarktregeln in der EU. Seine Beamten feilen dazu an neuen Vorschriften für Banken, die strenge Auflagen für den Handel mit Krediten auf den weltweiten Finanzmärkten vorsehen. Anfang Juli wurden dazu von der Kommission bereits Vorschläge an die Finanzwelt versandt, zu denen inzwischen schriftliche Stellungnahmen der Bankenverbände vorliegen. Im Herbst will der EU-Binnenmarktkommissar seine Vorschläge dann den EU-Staaten und dem Europaparlament vorlegen, die gemeinsam darüber entscheiden müssen.

In ihrem Entwurf zu neuen Eigenkapitalregeln für Banken (Basel II) fordert die EU-Kommission, dass beim Verkauf der zu Wertpapieren gebündelten Kredite der Verkäufer zehn Prozent davon behalten und damit das Risiko mittragen muss. Ersatzweise soll der "Hersteller" dieser Kreditpakete auch Papiere von ähnlicher Qualität in den eigenen Büchern halten dürfen. Somit würde beim Kredithandel das Risiko nicht mehr vollständig an den Käufer der Wertpapiere abgewälzt. Der Gedanke dahinter: wer selbst das Risiko mitträgt, der ist bei der Vergabe der Kredite vorsichtiger und prüft die Kreditwürdigkeit des Kunden genauer nach. "Faulen" Krediten in großer Zahl und den daraus folgenden Finanzrisiken könnten auf diese Weise zumindest etwas vorgebeugt werden.

Auslöser der weltweiten Finanzkrise, die derzeit die Bankwelt diesseits und vor allem jenseits des Atlantiks erschüttert, waren leichtsinnig vergebene Kredite auf dem US-Hypothekenmarkt. Im vergangenen Jahr haben sie sich in Hunderttausenden von Fällen als wacklig erwiesen - eine Entwicklung, die keineswegs abgeschlossen ist. Im ersten Quartal dieses Jahres sind die Privatinsolvenzen in den USA sogar noch um 27 Prozent gestiegen. Allein im März erklärten sich in den USA über 86 000 private Kreditnehmer für zahlungsunfähig - mit schweren Folgen für die Banken. Da auch europäische Banken die zu Wertpapieren gebündelten Guthaben der US-Kreditinstitute gekauft hatten, mussten sie zum Teil hohe Belastungen verkraften. Im vergangenen Jahr konnten die deutsche Mittelstandsbank IKB und die SachsenLB, die sich auf dem US-Hypothekenmarkt verspekuliert hatten, nur mit staatlichen Garantien - und damit mit den Milliarden der Steuerzahler - gerettet werden.

Ungeachtet dieser Fehlspekulationen wehren sich die deutschen Finanzinstitute gegen die Brüsseler Pläne, künftig mehr Sicherungen und Bremsen gegen leichtsinnige Kreditvergabe einzubauen. Sie behaupten, dass durch mehr verordnete Sicherheit in Europa die Kredite knapp werden und das Kapital für Unternehmen, Häuslesbauer und Verbraucher teurer werden könnten.

Durch die neuen Vorschläge der EU-Kommission drohe dem europäischen Kapitalmarkt eine Überregulierung, heißt es. Auf Kritik der Banken stößt auch die Absicht der EU-Finanzexperten, die Höhe der Kredite zu begrenzen, die eine Bank der anderen geben kann. Das führe zu Liquiditätsproblemen im Finanzhandel zwischen den Banken, fürchtet die deutsche Finanzlobby. In Brüssel weist man darauf hin, dass durch die Verschärfung der europäischen Regeln auch die ausländischen Emittenten schärfer in die Verantwortung genommen werden.
Von Thomas Gack

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