Karl Nolle, MdL

Neues Deutschland ND, 15.09.2008

»Gegner mögen sich erheben«

Sachsens Landtag zeigt in seiner Ahnengalerie einen NSDAP-Politiker
 
In einer Galerie zeigt Sachsens Landtag Bilder seiner Präsidenten. Ohne Kommentar präsentiert wird auch ein NSDAP-Mann, der bei der Selbstentmachtung des Parlaments präsidierte.

Als Sachsens Landtag sich selbst entmachtete, kam Einspruch nur von der SPD. Es sei falsch, dass die »Regierung nicht mehr vom Vertrauen der Volksvertreter abhängig« sein solle, sagte der Abgeordneter Otto Nebrig am 23. Mai 1933 in der Debatte über das Ermächtigungsgesetz, mit dem der Regierung erlaubt wurde, gegen die Verfassung verstoßende Gesetze ohne Beteiligung des Parlaments zu verabschieden. Als er geendet hatte, schritt der Landtagspräsident Kurt Walter Dönicke zur Abstimmung – und hielt eine besondere Demütigung für die sechs Sozialdemokraten bereit, die noch nicht in Haft, krankgeprügelt oder Exil waren: »Wer dafür ist, bleibe in seiner Verfassung«, so der NSDAP-Mann: »Gegner mögen sich erheben.«

Über den höhnischen Satz und die Rolle Dönickes bei der Abschaffung der Demokratie in Sachsen nach dem Machtantritt der Nazis erfährt freilich nichts, wer die Ahnengalerie der Landtagspräsidenten im Dresdner Ständehaus, dem restaurierten alten Sitz des Parlaments, besichtigt. Dort hängt das Porträt des Uniform tragenden Politikers in einer Reihe mit Präsidenten, die in der 1848er Revolution kämpften oder im KZ saßen.

Ein Unding, sagt der SPD-Abgeordnete Karl Nolle, dessen Vorfahren selbst für ihre politische Überzeugung litten und der deshalb verlangt, das Bild anzuhängen. Dönicke, der bereits 1925 in die NSDAP eintrat, später Kreishauptmann in Leipzig und kurze Zeit auch Oberbürgermeister war, sei ein strammer Nazi, dessen Porträt nicht in gleicher Größe und ohne Kommentar in die Galerie gehöre, so Nolle: »Er darf nicht das gleiche Privileg einer Ehrung erhalten.«

In der Landtagsverwaltung wird der Bildergalerie freilich ein anderer Charakter zugeschrieben: Es handle sich »nicht um eine Ehrung oder Würdigung«, sagt Ivo Klatte, Sprecher von Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU). Vielmehr sollten in chronologischer Anordnung alle Präsidenten gezeigt werden. Der von einem Historiker der TU Dresden erarbeiteten Präsentation liege »das wissenschaftliche Prinzip der historischen Vollständigkeit« zugrunde. Zudem verweist Klatte auf ein Faltblatt, das in der Ausstellung ausliege und über die NSDAP-Mitgliedschaft informiere.

Kritik an der Darstellung üben aber auch Fachleute wie der Leipziger Historiker Werner Bramke. Dass Dönickes Bild unkommentiert gezeigt werde, sei »indiskutabel«, sagt der einstige PDS-Landtagsabgeordnete, der sich freilich auch gegen ein Entfernen des Porträts ausspricht: »Man darf das nicht totschweigen«. In einem Kommentar müsse aber auf den Charakter des von dem NSDAP-Mann geleiteten Landtags hingewiesen werden, der nicht durch freie Wahlen zustande kam, sondern durch Übertragung des Ergebnisses der Reichstagswahl vom 5. März 1933, die die NSDAP gewonnen hatte, auf Sachsen. In der Parlamentsgeschichte, sagt Bramke, sei das »ein Schandfleck«. Auch der SPD-Abgeordnete Nolle befürwortet einen derartigen Kommentar. Eines Porträts von Dönicke, fügt er hinzu, bedürfe es dafür aber nicht.
Von Hendrik Lasch, Dresden

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: