Sächsische Zeitung, 19.09.2008
„Auch Sozis haben Ahnung von Wirtschaft”
Politischer „Chefaufklärer" und Druckereiunternehmer in Personalunion: Morgen feiert SPD-Mann Karl Nolle ein rundes Firmenjubiläum.
Wie eng Wirtschaft und Politik im Leben des
Karl Nolle verbunden sind, zeigt sich bei einem Blick ins Jahr 1973. Da gründete der damals 28-jährige Jungunternehmer in Hannover die SOAK Druck- und Verlagskooperative. Einer seiner Mitgesellschafter: Rechtsreferendar und Juso-Bezirkschef Gerhard Schröder. Die politische Kinderstube des späteren SPD-Bundeskanzlers kenne er nur zu genau, sagt Nolle. „Ich war damals sein Vize bei den Jungsozialisten."
Weitgehend unabhängig
Während Schröder in der Politik nach ganz oben strebt, verdient Karl Nolle sein Geld weiter in der Druckerei-Branche. Die Wende bringt ihn, der sich selbst als „halber Sachse" bezeichnet, auch geschäftlich nach Dresden. Im März 1991 übernehmen er und seine Frau Christi die konkursreife Dresdner Offsetdruck GmbH, eine Nachfolgegesellschaft des privatisierten VEB Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft. Der erste Monat bringt 50 000 D-Mark Verlust.
Heute zeugen drei blau-graue „Rapida 105"-Maschinen im Hallen-Neubau an der Bärensteiner Straße davon, dass es dem Druckhaus Dresden wirtschaftlich gut geht. 8,5 Millionen Euro Umsatz stehen zu Buche, siebzig Beschäftigte arbeiten im Betrieb. „Die Substanz der Firma ist gut, wir schreiben schwarze Zahlen", sagt Nolle. Er glaubt, dass das Unternehmen noch erfolgreicher sein könnte –wenn er sich denn ausschließlich darum kümmerte. Aber da ist eben noch ein anderes Betätigungsfeld.
Seit 1999 mischt er in der Landespolitik mit. Als Biedenkopf-Widersacher, als Obmann in Untersuchungsausschüssen, als medienpräsenter „Chefaufklärer". Ihm gehe es darum, dass die SPD als Partei der kleinen Leute und Verfechter sozialer Gerechtigkeit angesehen werde, sagt der'63-Jährige. „Egal ob Schröder eine Agenda macht oder Beck enttäuscht zurücktritt."
Zum 100. Jubiläum des Druckhauses (s.unten) hat Nolle nicht nur Parteifreunde, sondern auch Vertreter anderer Fraktionen eingeladen. Für ihn eine Gelegenheit, um mit dem populären Vorurteil aufzuräumen, Genossen verstünden nichts vom Geschäft. „Auch Sozis haben Ahnung von Wirtschaft."
Selbst mancher politische Gegner zollt dem schwergewichtigen Unternehmer Respekt. „Dass er so frei auftreten kann, hängt auch damit zusammen, dass er in hohem Maß wirtschaftlich unabhängig ist", sagt Holger Zastrow. Der FDP-Abgeordnete führt in Dresden eine Werbeagentur mit 16 Mitarbeitern.
Im Sächsischen Landtag sind Selbstständige eher die Ausnahme. Vermutlich kein Wunder bei der Doppelbelastung von zwei Vollzeit-Jobs. Nolle beschränkt sich inzwischen darauf, die grundsätzlichen unternehmerischen Entscheidungen für das Druckhaus zu treffen. Für Finanzen wie für Details des operativen Geschäfts ist Christl zuständig. Anlässlich ihres 60. Geburtstags hat er seine Gattin deshalb gestern mit einer Kutschfahrt nach Königstein und einem Abendessen bei Kerzenlicht überrascht.
von Andreas Rentsch
rentsch.andreas@dd-v.de
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Firmengeschichte
1908: Ernst Mayer gründet für seinen Sohn die „Briefumschlagfabrik Ernst Mayer".
1945: In der Bombennacht des 13./14. Februar brennt auch die Fabrik in Striesen.
1955: Das Werk an der Bärensteiner Straße produziert Briefumschläge für die Sowjetarmee.
1961: Ehepaar Mayer verlässt die DDR, Firma wird unter staatliche Verwaltung gestellt.
1972: Verstaatlichung in einen VEB.
1990: Privatisierung, Gründung Dresdner Offsetdruck GmbH.
1991: Übernahme durch Nolle, ab jetzt Druckhaus Dresden.
2005: Neubau einer Lager- und Produktionshalle.