Karl Nolle, MdL

MDR 1 Radio Sachsen online Nachrichten, 22.11.2008

DDR-Vergangenheit: Tillichs politische Karriere in der Kritik

 
Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich sieht sich mit Vorwürfen wegen seiner politischen Arbeit in der DDR konfrontiert. Nach Recherchen von MDR 1 RADIO SACHSEN belegen Unterlagen aus dem Archiv Kamenz, dass Tillich gezielt als Reserve-Kader aufgebaut wurde. Demnach sollte er Anfang 1989 einen Lehrgang an der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften in Potsdam-Babelsberg absolvieren. Aus der dem MDR vorliegenden Akte des Kreises Kamenz geht hervor, dass Tillich an dieser dreimonatigen Schulung für Kader teilgenommen hat.

Biografie im Internet geändert

Sachsens Regierungssprecher Peter Zimmermann sagte MDR 1 RADIO SACHSEN, der Ministerpräsident könne sich nicht daran erinnern, ob er an der Schulung teilgenommen habe oder nicht. Zudem seien alle Vorwürfe bekannt. Laut Zimmermann stünde auch in dem im Internet veröffentlichten Lebenslauf, dass Tillich in gehobener Position im damaligen Rat des Kreises in Kamenz gearbeitet hatte. Allerdings wurde dieser Passus geändert. Bis zum Freitag, also vor Bekanntwerden der Vorwürfe, wurde Tillich auf der Internetseite der Staatskanzlei lediglich als "Angestellter" geführt. Jetzt steht dort: "Von 1987 bis 1989 ist er als Mitarbeiter, ab Mai 1989 als Stellvertreter des Vorsitzenden, beim Rat des Kreises Kamenz für Handel und Versorgung tätig, bevor er sich mit einem mittelständischen Unternehmen selbstständig macht." Auf der Landtagsseite heißt es bislang, Tillich war "1987 bis 1989 Angestellter der Kreisverwaltung Kamenz". Diesen entsprechenden Wortlaut belegt auch die Pressemitteilung der Landesregierung anlässlich der Wahl Tillichs zum Ministerpräsidenten vom 28. Mai 2008.

Dieses Dokument aus dem Archiv Kamenz belegt die Teilnahme Tillichs an der Kader-Fortbildung.Archivakten belegen Teilnahme Tillichs
Nach Recherchen von MDR 1 RADIO SACHSEN wurde Tillich bereits seit 1987 als Leitungskader aufgebaut. In diesem Jahr wurde er laut Kamenzer Archivunterlagen das erste Mal im Protokoll einer Ratssitzung erwähnt. Im Januar 1988 hieß es dann bereits, Tillich werde als "Stellvertreter des Vorsitzenden für Handel und Versorgung" im Kreis Kamenz vorbereitet. Im Mai 1988 nahm er erstmals offiziell an einer Ratssitzung teil. Im Juli folgte die Bestätigung für den Stellvertreter-Posten.

Diese Funktion nahm er allerdings erst ein Jahr später auf, nachdem er an der Babelsberger Kaderschmiede die notwendige Weiterbildung absolviert hatte. Während Tillich sich an die dreimonatige Fortbildung nicht mehr erinnern kann, belegen die Archivakten die Teilnahme eindeutig. In seiner damaligen Funktion gehörte er zur sogenannten B-Struktur der DDR. Sie hätte im Krisenfall an die Stelle der normalen Machtstrukturen treten sollen.

Sonate für Blockflöten und Schalmeien"

An die Öffentlichkeit wurden diese Halbwahrheiten vom Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" und der Zeitung "Die Welt" gebracht. Die "Welt" beruft sich auf eine demnächst erscheinende Publikation des SPD-Politikers Karl Nolle. Unter dem Titel "Sonate für Blockflöten und Schalmeien" will er nach eigenen Angaben "Erinnerungen an die nicht aufgearbeitete Geschichte der Staatspartei CDU" liefern.

Nolle hält die bisherigen offiziellen Aussagen zum Thema Tillich für beschönigend. Der von Tillich bekleidete Posten sei ein hoch politischer Posten und kein einfaches öffentliches Angestelltenverhältnis gewesen. "Versorgung war ein hoch sensibler Bereich in der DDR", so Nolle.

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: