Frankfurter Rundschau, 24.11.2008
Falsche Moralapostel
Kommentar von Stephan Hebel
Stanislaw Tillich ist Ministerpräsident in Sachsen. Er gehört der CDU an, also derjenigen Partei, die die "Linken" pauschal Kommunisten und jede Kooperation mit ihnen Teufelswerk nennt.
Tillich gehörte schon der systemtreuen DDR-CDU an - damit die SED ihn in Ruhe ließ, wie er sagt. Man musste allerdings selbst in der DDR nicht unbedingt einer Partei angehören. Nur konnte man dann eben nicht Vize im Rat eines Kreises werden.
Die SED hat ihn also doch nicht in Ruhe gelassen, sondern mit einem ganz lukrativen Posten und der entsprechenden ideologischen "Weiterbildung" versorgt. So sehen die Helden aus, die die Partei der Einheit und Freiheit nach der Wende schluckte.
Tillich hat seinen genauen DDR-Posten wohl vernebelt. Ist das ein Rücktrittsgrund? Gemessen an der Anmaßung, die historische Moral gepachtet zu haben: Ja. Man kann Tillich aber auch im Amt halten. Man muss dann nur zugeben, dass man die Verlogenheit und Verharmlosung im Umgang mit der DDR, die man der Linkspartei oft zurecht vorwirft, in Wahrheit teilt.