spiegel-online, 24.11.2008
DDR-VERGANGENHEIT: Tillich gibt Seminar in Kaderschmiede zu
Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich erinnert sich wieder: Er bestätigte einen SPIEGEL-Bericht über die Teilnahme an einem Seminar einer Kaderschmiede. Er habe es als "einen der vielen M/L-Kurse betrachtet, der mich persönlich nicht innerlich überzeugt hat".
Dresden - Stanislaw Tillich erinnert sich wieder: Er habe vom 2. Januar bis zum 10. März 1989 an einem Lehrgang an der DDR-Kaderschmiede "Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft" in Potsdam-Babelsberg teilgenommen, bestätigte der sächsische Ministerpräsident. Er habe diesen als "einen der vielen M/L-Kurse betrachtet, der mich persönlich nicht innerlich überzeugt hat".
Der SPIEGEL hatte berichtet, Tillich sei in der DDR-Blockpartei CDU aktiver als bisher bekannt gewesen. Am Wochenende hatte er den Artikel noch dementieren lassen: "Alles, was Ministerpräsident Tillich vor der Wende gemacht hat, ist bekannt", sagte sein Sprecher am Samstag.
Er sei 1987 "aus eigenem Entschluss in die CDU" eingetreten, die als Blockpartei "letztendlich den Machtapparat der SED mitgestützt hat", räumte Tillich am Montag in Dresden ein. Auch seine Tätigkeit als für Handel und Versorgung zuständiger Stellvertreter des Rates des Kreises Kamenz sei "Teil meiner Biografie, zu der ich nach wie vor stehe". Gleichwohl sei dies aus heutiger Bewertung ein Schritt gewesen, "den man so nicht wiederholen würde beziehungsweise den man so nicht täte", fügte Sachsens CDU-Chef hinzu.
Tillich sagte, er stehe "für Offenheit auch in dieser Angelegenheit". Seine DDR-Biografie sei "allgemein zugänglich" gewesen, so dass "jeder die Kenntnis über meinen Lebensweg, auch über meine verschiedenen beruflichen Stationen hatte". Aus der auch für westdeutsche Bürger verständlichen Formulierung, dass er von 1987 bis 1989 Angestellter der Kreisverwaltung gewesen sei, habe jeder die Schlussfolgerung ziehen können, dass man damit auch "Teil des DDR-Staatsapparates" sei.
Tillich, 49, ist seit einem halben Jahr Sachsens Ministerpräsident und in dieser Funktion der erste Amtsträger mit DDR-Herkunft. Die sächsische CDU stellte sich dagegen hinter Tillich. Dieser habe die Rolle der CDU in der DDR immer kritisch betrachtet und auch für Klarheit über seinen beruflichen Werdegang gesorgt. "Es ist unredlich, ihm heute etwas anderes unterstellen zu wollen", sagte Generalsekretär Michael Kretschmer.
Tillich bekam am Montag auch Unterstützung von seinem Amtskollegen Wolfgang Böhmer aus Sachsen-Anhalt. Er warne "vor dem Hochmut der westlichen Geburt" bei der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit, sagte Böhmer der "Leipziger Volkszeitung". "Mittlerweile habe ich den Eindruck, dass es nach der Gnade der späten Geburt auch den Hochmut der westlichen Geburt gibt." Das werde die Aufarbeitung der Vergangenheit in DDR-Biografien nicht gerade erleichtern, fügte der CDU-Politiker hinzu.
Linksfraktionschef Andre Hahn warf Tillich dagegen eine Doppelmoral vor.
Seine Attacken gegen die Linke seien vor dem Hintergrund seiner Biografie geschmacklos und scheinheilig.
als/ddp/AP