Karl Nolle, MdL

Agenturen ddp-lsc, 16:56 Uhr, 26.11.2008

Tillich verteidigt auch Einsatz als Grenzsoldat

Historiker Knabe gegen «ehemalige DDR-Funktionäre in der Politik
 
Dresden (ddp-lsc). In der Debatte um seine DDR-Vergangenheit hat Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) nun auch seinen Einsatz als Grenzsoldat verteidigt. Zugleich nannte er am Mittwoch seine Stellungnahme von Wochenanfang einen «bescheidenen Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte der Ost-CDU». Der Berliner Historiker Hubertus Knabe forderte die CDU unterdessen auf, «bei der Auswahl ihres Spitzenpersonals mehr auf deren Vergangenheit zu achten».

Tillich war am Wochenende in die Kritik geraten, weil er seine Funktion als für Handel und Versorgung zuständiger Stellvertreter des Vorsitzenden im Rat des Kreises Kamenz im Jahr 1989 bis vor wenigen Tagen in seiner offiziellen Vita als Ministerpräsident nicht ausdrücklich erwähnt hatte. Am Montag hatte sich Tillich zu seiner Verstrickung in die politischen DDR-Strukturen bekannt. Zugleich verwahrte er sich auch stellvertretend für die meisten DDR-Bürger vor dem «Versuch, unser Leben von Menschen insbesondere aus dem Westen abwerten zu lassen».

Über seine Armeezeit vom November 1977 bis April 1979 sagte Tillich am Mittwoch, dass er auch ein Jahr Dienst an der Grenze geleistet habe. Weil er keinen verlängerten dreijährigen Wehrdienst habe leisten wollen, habe er es sich nicht aussuchen können, «wo und wofür» er als Soldat eingesetzt werde. Er habe dabei auch «Furcht vor dem System» gehabt, das den Grenzsoldaten jederzeit mit dem Straflager der NVA in Schwedt gedroht habe. Er sei «Gott sei Dank» nie in die Situation gekommen, notfalls schießen zu müssen. In einem solchen Fall «wäre für mich als Christ die Entscheidung für das Leben klar gewesen», fügte Tillich hinzu.

Der Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Knabe, kritisierte unterdessen die sächsische CDU. Es schade dem Ansehen der Demokratie, wenn sie «von Menschen repräsentiert wird, die früher einer Diktatur gedient» hätten. Statt «ehemaliger DDR-Funktionäre in der Politik» würden «Menschen mit Demokratiebewusstsein und Zivilcourage» gebraucht. Hätte Sachsens CDU diese Einsicht beherzigt, bräuchte sie sich jetzt nicht mit der Kritik an Tillichs Vergangenheit herumzuschlagen. Nach seiner Beobachtung gebe es einen «zunehmend nachlässigen Umgang mit der SED-Diktatur». Je weiter die DDR zurückliege, desto großzügiger schaue man über persönliche Verantwortung hinweg.

Tillichs Äußerung, dass sich die Union im Unterschied zur Linken «intensiv mit ihrer Vergangenheit auseinandergesetzt» habe, wurde unterdessen von deren Landtagsfraktionschef André Hahn heftig kritisiert. Tillich offenbare damit ein «tief gestörtes Verhältnis zur Wahrheit». Hahn fügte hinzu, dass er «zu DDR-Zeiten wahrscheinlich mehr kritische Positionen gegenüber den damaligen Funktionären geäußert habe als Herr Tillich».

Der frühere sächsische Innenminister Heinz Eggert (CDU) sagte, wenn Tillich 1990 für ein politisches Amt zur Wahl gestanden hätte, wäre er «gegen ihn gewesen». Nach dem Mauerfall habe die gesamte DDR-Führungsriege keinerlei Legitimation mehr gehabt, «CDU-Leute ebenso wenig wie SED-Leute». Seitdem seien aber knapp 20 Jahre vergangen, heute sei Tillich ein «tragbarer, vertrauenswürdiger Mann». Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) sagte indes, auch in der Block-CDU habe es «immer aufrechte Christdemokraten» gegeben.

(Quellen: Tillich in «Sächsische Zeitung», «Freie Presse» und «Leipziger Volkszeitung»; Eggert in «Leipziger Volkszeitung»; Knabe und Hahn in Mitteilungen; Althaus im «Rheinischen Merkur»)
Von Tino Moritz

ddp/tmo/ple
261656 Nov 08

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: