DNN/LVZ, 27.11.2008
Beredtes Schweigen bei SPD und FDP
Aus taktischen Gründen äußern sich beide Parteien nicht zur Rolle von Regierungschef Tillich in der DDR
Dresden. Als die Debatte um die Rolle von Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) im DDR-System Fahrt aufnahm, meldeten sich fast alle zu Wort. Die CDU stellte sich hinter den Kritisierten, Linke, Grüne und selbst die rechtsextreme NPD monierten den Umgang des Ministerpräsidenten mit der eigenen Geschichte – mindestens. Lediglich zwei Parteien hüllen sich in Schweigen: Von SPD und FDP gibt es bis heute keinen Kommentar zu Tillichs Biografie, keine offizielle Bewertung, weder Rückendeckung noch Kritik. Lediglich SPD-Mann
Karl Nolle äußerte sich gewohnt angriffslustig, schließlich hatte er die Debatte mit angestoßen.
Dabei hätten die Sozialdemokraten allen Grund, sich zu melden. Noch nach den Kommunalwahlen im Sommer hatte Tillich die sächsische SPD wegen rot-roter Planspiele scharf kritisiert. „Unser gemeinsamer Gegner ist die Linke“, sagte Tillich damals. Die SPD müsse sich Gedanken machen, wo sie stehe. Doch statt nun, im Lichte der neuen Erkenntnisse, künftig mehr Zurückhaltung einzufordern, herrscht Funkstille. Offenbar fürchten die Sozialdemokraten auch, dass am Ende der Geschichtsdebatte nur ein hässlicher Koalitionskrach übrig bleibt. Aber auch solidarische Worte kommen dem Koalitionspartner nicht über die Lippen. Die SPD lässt ihren „Aufklärer“ Nolle frei walten.
Beredtes Schweigen herrscht ebenso bei der FDP. Die Liberalen tun sich aus zwei Gründen schwer mit der Bewertung: Zum einen gibt es bis heute in ihren Reihen Mitglieder der ehemaligen Blockparteien LDPD und NDPD, wenn auch nicht mehr in der Landesspitze. Zum anderen liebäugelt die FDP erkennbar mit einer schwarz-gelben Koalition nach der Landtagswahl 2009. Das reduziert die Neigung zur Polit-Attacke Richtung Christdemokraten.
Dabei steht fest, dass es sowohl bei der FDP wie SPD Mitglieder gibt, die Zweifel an der Erklärung des Ministerpräsidenten in eigener Sache haben. Entsprechend heißt es intern in SPD-Kreisen zur Vita von Tillich: „Schweigen ist das Höchste an Loyalität, das wir ihm entgegenbringen können.“
Sven Heitkamp/Jürgen Kochinke