Karl Nolle, MdL

Agenturen ddp-lsc, 27.11.08, 12:00 Uhr, 28.11.2008

Für den öffentlichen Dienst „nicht geeignet“

Nach der Wende kamen DDR-Funktionsträger wie Tillich für Posten in Sachsen kaum in Frage
 
Dresden (ddp). Auf einen Posten in der Verwaltung der Landeshauptstadt hätte Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) direkt nach der Wende keine Chance gehabt. Am 2. April 1992 beschlossen die Dresdner Stadtverordneten, alle Bewerber „generell“ abzuweisen, die mit SED-Mandat in der Volkskammer gesessen oder für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) und FDJ gearbeitet hatten. Ebenfalls „ohne Einzelfallprüfung“ abzulehnen seien auch alle vor dem 1. November 1989 als „Vorsitzende der Räte der Kreise und Bezirke sowie deren Stellvertreter“ tätige Personen.

Das CDU-Blockparteimitglied Tillich war als 30-Jähriger von Ende Mai bis Herbst 1989 Stellvertreter des Vorsitzenden im Rat des Kreises Kamenz für Handel und Versorgung. In der Debatte um seine DDR-Vergangenheit, nannte es Tillich, der seine Rolle als Funktionär im Regime bislang öffentlich weitgehend unerwähnt gelassen hatte, zu Wochenbeginn abwegig, ihn deshalb „nachträglich zum Unterstützer der SED-Diktatur“ machen zu wollen.

„Die Verantwortungsträger des vergangenen SED-Regimes vom öffentlichen Dienst im Freistaat Sachsen als nicht geeignete Personen auszuschließen“ – das hatte sich vor fast 18 Jahren die FDP-Fraktion im ersten sächsischen Landtag vorgenommen. Auf den 4. Februar 1991 ist der Antrag datiert, in der die Nachfolger der DDR-Blockparteien LDPD und NDPD hauptamtliche Mitarbeiter von SED-Kreis- und Bezirksleitungen und Ex-Kampfgruppenkommandeure aufführten. Von den einstigen Räten der Kreise und Bezirke wies der FDP-Katalog indes nur die Vorsitzenden „einschließlich deren 1. Stellvertreter für Inneres“ als Systemstützen aus – also ausschließlich SED-Leute.

Sachsens Innenministerium teilte dem Landtag am 21. Februar 1991 mit, dass ein kategorischer Ausschluss von Funktionsträgern „rechtlich nicht zulässig“ sei. Zugleich versicherte es jedoch auch, dass dem FDP-Anliegen „bei der Überprüfung der persönlichen Eignung der Landesbediensteten Rechnung getragen“ werde.

Die CDU-Landtagsfraktion war es schließlich, die dem damals zuständigen „Sonderausschuss“ des Parlaments am 30. April 1991 einen Änderungsantrag vorlegte. Dieser erweiterte die Liste der Personengruppen, die nunmehr nur noch „in der Regel“ vom öffentlichen Dienst ausgeschlossen werden sollten. Aufgeführt waren jetzt auch ehemalige Politbüro- und ZK-Mitglieder, Kombinatsdirektoren und „Mitglieder und Beauftragte der B-Struktur (Kader) des MfS“.

Der Ausschuss verabschiedete damals mit nur einer Gegenstimme eine Beschlussempfehlung, wonach künftig neben den Vorsitzenden der Räte der Kreise und Bezirke weiter nur deren „1. Stellvertreter“ ausgeschlossen werden sollten. Dieser vom späteren CDU-Fraktionschef und damaligen Ausschuss-Berichterstatter Fritz Hähle unterzeichneten Empfehlung folgte der Landtag dann aber nie.

Der Grund: Die FDP-Abgeordnete Ute Georgi zog den Antrag am 19. Juni 1991 für ihre Fraktion kurzfristig von der Tagesordnung zurück. Gründe dafür gab sie laut Landtagsprotokoll nicht an. Zeitzeugen erinnern sich an rechtliche Bedenken – und daran, dass in der Öffentlichkeit zuvor ausgerechnet worden war, dass doch sehr viele Menschen vom öffentlichen Dienst ausgeschlossen wären.

Kommunalparlamente hielt dies freilich nicht davon ab, den Personenkatalog mit mehr oder weniger Korrekturen zu übernehmen und weitgehendere Beschlüsse wie in Dresden zu verabschieden. Linke-Fraktionschef André Hahn zufolge hätte Tillich Anfang der 90er Jahre jedenfalls schon Probleme gehabt, „Pförtner in einem sächsischen Rathaus zu werden“.

Tillich selbst drängte damals nicht in den öffentlichen Dienst. Laut seiner Vita wurde er „im Zuge der Wiedervereinigung Beobachter beim Europäischen Parlament“. In die Landespolitik kehrte er erst 1999 zurück – als Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten unter Kurt Biedenkopf (CDU).

Von ddp-Korrespondent Tino Moritz

ddp/tmo/stu
271200 Nov 08

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