Karl Nolle, MdL

Lausitzer Rundschau, 09.12.2008

Tillich redet erstmals nach Streit um Biografie im Landtag

 
Die Linken in Sachsens Landtag haben von Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) eine Erklärung zu seiner DDR-Vergangenheit verlangt. Es sei zwingend erforderlich, dass der Regierungschef sich am Dienstag noch vor Beginn der Plenarsitzung dem Parlament erkläre, sagte Fraktionschef André Hahn am Montag in Dresden. Es stünden eine ganze Reihe von Vorwürfen im Raum. Hahn erwähnte unter anderem „Falschangaben“ und „Anstellungsbetrug“.

Fast eine Stunde lang wird sich Stanislaw Tillich am Dienstag im Landtag erklären. Es wird seine erste Rede im Plenum nach der bundesweiten Debatte um seine DDR-Karriere sein – aber dazu äußern wird er sich wohl nicht. Gemäß Tagesordnung wird der Ministerpräsident gleich zu Beginn der 125. Sitzung des Parlaments eine Rede zum Haushaltsentwurf Sachsens für 2009/10 halten – was aus Sicht von Teilen der Opposition nicht ausreicht.

Fragen zum Minister-Fragebogen

Neben dem Linke-Fraktionschef erneuerte auch seine Grünen-Amtskollegin Antje Hermenau ihre Forderung, dass Tillich sich zu seinem Minister-Fragebogen von 1999 erkläre – oder aber zumindest der Präsidentin des sächsischen Verfassungsgerichtshofs, Birgit Munz, Einblick in das Papier gewähren solle. Er rate Tillich dringend, dem entsprechenden „klugen Vorschlag“ Hermenaus zu folgen und Munz auch die Öffentlichkeit darüber informieren zu lassen, ob er „damals wahrheitsgemäß geantwortet“ habe, forderte Hahn. In dem Papier wurden Landesminister mit ostdeutscher Herkunft unter anderem um Auskünfte zum Besuch von Parteischulen oder ähnlichen Ausbildungseinrichtungen, zu dienstlich bedingten Stasi-Kontakten und zu ihrer DDR-Karriere gebeten. Die Staatskanzlei verwies zuletzt darauf, dass Tillich nach Auskunft der zuständigen Personalabteilung damals alle Fragen „vollständig und zutreffend“ beantwortet habe. Eine Herausgabe der Antworten im Detail wurde unter Verweis auf die Vertraulichkeit von Personalunterlagen abgelehnt, Hermenaus Munz-Vorschlag gar nicht kommentiert.

Welche Antworten Tillich bei seinem Amtsantritt als Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten 1999 konkret gegeben hat, ist deshalb nicht bekannt. Das dürfte sich wohl auch am Dienstag nicht ändern. Eine Sprecherin der Staatskanzlei kündigte an, dass Tillich „eine ausführliche Rede zum Haushalt“ halten werde. „Fast eine Stunde“ lang werde Tillich zum Etat sprechen, sagte CDU-Finanzexperte Matthias Rößler. Und CDU-Fraktionssprecher Dirk Reelfs nannte den Landtag den falschen Ort dafür, um die „politisch instrumentalisierte Debatte“ auszutragen.

Auch bei anderen Landtagsfraktionen scheint sich das Interesse an Tillichs Antworten vor neun Jahren in Grenzen zu halten. Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Torsten Herbst, sagte, der Regierungschef habe sich inzwischen „sehr ausführlich“ zu seiner DDR-Vergangenheit geäußert. Die Öffentlichkeit sei darüber bereits sehr umfassend informiert. SPD-Fraktionschef Martin Dulig äußerte sich ebenfalls zurückhaltend. Ob Tillich sich im Plenum zu seinen damaligen Antworten erkläre, müsse er „mit sich selber ausmachen – und die Öffentlichkeit wird es ja bewerten“.

Anders formuliert es der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle, der die Debatte um Tillichs DDR-Vergangenheit mit Recherchen zu einem Buch über „Blockflöten“ – die Blockparteien in der DDR und ihre Mitglieder – mit ausgelöst hatte. Nolle kündigt seine Anwesenheit anEr „hoffe sehr, dass Ministerpräsident Tillich die besondere Verantwortung seines Amtes wahrnimmt und den Mut hat, die von ihm selbst durch Erinnerungslücken provozierten öffentlichen Spekulationen über richtige oder falsche Antworten bei der Beantwortung des Ministerfragebogens zu seiner DDR-Vergangenheit zu beenden“. Tillich solle erklären, „was er im Einzelnen geantwortet hat“. In Sachsen seien Hunderte Beamte und Angestellte wegen falscher Antworten „rigoros aus dem öffentlichen Dienst entfernt worden“. Für Tillich dürften keine anderen Maßstäbe gelten. Er selbst werde im Plenum sein, fügte Nolle hinzu.
von Timo Moritz

Karl Nolle im Webseitentest
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