Karl Nolle, MdL

Süddeutsche Zeitung, 18.12.2008

Qimonda vor dem Aus: Sachsen attackiert Infineon - Qimonda Zukunft am seidenen Faden

Scharfe Töne aus Sachsen: Die Landesregierung wirft Infineon "Luftbuchungen" bei der Qimonda-Rettung vor - nun soll sogar Kanzlerin Merkel eingeschaltet werden.
 
Der Streit um die vorerst misslungene Rettung des Chipkonzerns Qimonda eskaliert. Nach Informationen aus Regierungskreisen wirft das Land Sachsen der Konzernmutter Infineon "Luftbuchungen" im Rettungskonzept von Infineon und Qimonda vor.

Die Regierung fühle sich von dem Münchner Konzern getäuscht. Hochrangige Politiker seien über das Infineon-Management um Vorstandschef Peter Bauer "äußerst verärgert". Das Verhandlungsgebaren von Europas zweitgrößtem Chipkonzern sei "unseriös", hieß es. Infineon habe mehrfach versucht, der Politik "die Pistole auf die Brust zu setzen".

Infineon wies die Vorwürfe "nachdrücklich" zurück. "Wir wissen nichts von angeblichen Luftbuchungen bei Qimonda", sagte ein Konzernsprecher. Der neue Geschäftsplan sei von Qimonda präsentiert und von den Unternehmensberatungen Pricewaterhouse Coopers (PWC) und Arthur D. Little geprüft worden.

Keinen Kommentar abgegeben

Qimonda wollte sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Qimonda leidet unter dem rapiden Preisverfall für Speicherchips. Ohne finanzielle Hilfen droht dem Konzern in Kürze die Pleite. Sachsen ist an einer Rettung interessiert, weil die Qimonda-Fabrik in Dresden gut 3000 Menschen beschäftigt und damit der größte Arbeitgeber in Dresden ist.

Am Mittwoch war die sächsische Landesregierung mit einem Hilfsangebot auf taube Ohren bei der Konzernmutter von Qimonda gestoßen. Infineon hatte eine von Sachsen geforderte Finanzspritze von 150 Millionen Euro abgelehnt und damit das Rettungspaket vorerst platzen lassen. Die sächsische Landesregierung will sich damit offenbar nicht abfinden. Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) rief die Infineon-Führung erneut dazu auf, sich stärker für die Tochter zu engagieren und in den Gesprächen einzulenken.

Um noch zu einer Lösung zu kommen, will Sachsen nach Informationen aus Regierungskreisen nun Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einschalten. Bei einem Treffen der Ministerpräsidenten mit Merkel am Donnerstag in Berlin wolle Sachsens Regierungschef bei der Kanzlerin Hilfsmöglichkeiten des Bundes ausloten. Der Bund schließt derweil eine Rettungsaktion zugunsten des von der Pleite bedrohten Chipherstellers nicht aus.

Es gebe zwar keine konkreten Pläne, aber eine Beteiligung an einem Hilfspaket sei grundsätzlich möglich, hieß es am Mittwoch in Regierungskreisen. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hatte sich Ende November bereits zu einem Krisengipfel mit Infineon-Chef Bauer und Aufsichtsratschef Max Dietrich Kley getroffen. "Wer dieses Cluster zerbröseln lässt, lässt die komplette Branche mit der daran angebundenen Technologie aus Europa wegziehen", warnte Sachsens Wirtschaftsminister Thomas Jurk (SPD). "Ich will, dass Berlin den Rettungsschirm öffnet und Qimonda als nationale Aufgabe begreift."

Auch Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) kündigte am Mittwoch an, sich "nach Kräften" für den Erhalt der Arbeitsplätze bei Qimonda einzusetzen. Es gebe Kontakte zu Sachsen und dem Bund, sagte eine Sprecherin Zeils. Eine Hilfsanfrage von Qimonda an die Landesregierung wie in Sachsen gebe es bislang in Bayern jedoch nicht.

Enttäuscht über "ungewöhnliche" Verhandlungstaktik

Die Dresdner Landesregierung zeigt sich enttäuscht über die "ungewöhnliche" Verhandlungstaktik bei Infineon. So habe Konzern-Chef Bauer gegenüber verschiedenen Gesprächspartnern der Landesregierung jeweils unterschiedliche Vorschläge unterbreitet. Auch sei durch eigene Prüfungen festgestellt worden, dass Qimonda in sein finanzielles Konzept Abnahmeaufträge für Qimonda-Produkte eingestellt habe, die so vermutlich gar nicht zu realisieren seien - ein Mitglied der Landesregierung sprach von "Luftbuchungen", die geeignet gewesen seien, die Konzeptaussagen zu schönen.
Von M. Balser u. C. Kohl

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