Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 19.12.2008

Aktenaffäre – Verfassungsschützer stützen Aussage von Wehling

Staatsanwaltschaft ermittelt erneut gegen Leipziger Polizisten / Ausschuss reagiert mit Unverständnis und scharfer Kritik
 
Dresden. Es war die Woche der Geheimnisträger vor heiklem Hintergrund. Trat am Mittwoch mit Georg Wehling eine der Schlüsselfiguren in der Affäre um Geheimakten des Verfassungsschutzes im U-Ausschuss auf, so waren es gestern die ehemaligen Spitzen des Geheimdienstes selbst. Das Fazit der stundenlangen, zum Teil nicht öffentlichen Sitzung lautete: Die Verfassungsschützer stützen die Version von Wehling; im Gegensatz zur offiziellen Regierungs-Variante stammen die Hinweise zu möglichen kriminellen Netzwerken in Leipzig nicht in erster Linie von Wehling als Geheimquelle Gemag.

Nach Aussage von Christoph Hindinger, dem ehemaligen für den Bereich Organisierte Kriminalität (OK) zuständigen Abteilungsleiter beim Verfassungsschutz, basiert der Komplex Abseits III zu Leipziger OK-Strukturen auf Hinweisen aus dem Jahr 2005. Wehling aber sei erst im Mai 2006 ins Spiel gekommen. „Es gab andere Quellen und Hinweisgeber“, sagte Hindinger.

Davon unberührt leitete die Staatsanwaltschaft Dresden gestern ein Ermittlungsverfahren gegen Wehling ein. Es bestehe der Anfangsverdacht der falschen uneidlichen Aussage, teilte Sprecher Christian Avenarius mit. Die Angaben Wehlings vor dem U-Ausschuss seien „nach der hiesigen Aktenlage objektiv nicht nachzuvollziehen“. Dagegen sagte Hindinger, Wehling habe Hinweise anderer Quellen viel später und auch nur teilweise bestätigt.

In einer mit großer Mehrheit beschlossenen Erklärung äußerte der Ausschussvorsitzende Klaus Bartl (Linke) sofort „größte rechtliche Bedenken“ gegen das Vorgehen der Staatsanwaltschaft. Das Besondere an dieser scharfen Kritik: Während die Oppositionsvertreter gewöhnlich kaum auf einer Linie mit der Regierungspartei CDU liegen, war das Unverständnis, dass die Staatsanwaltschaft ohne Rückfrage beim Ausschuss aktiv geworden sei, in diesem Fall einhellig.

Auch an anderer Stelle kratzte Hindinger an der regierungsamtlichen Version, das Ex-OK-Referat im Verfassungsschutz sei komplett aus dem Ruder gelaufen. Demnach soll es vor allem Ex-Referatsleiterin Simone Henneck gewesen sein, die nachrichtendienstliche Prinzipien umgangen, die Hausspitze ausgebremst und im Übereifer auf „vergiftete Quellen“ zurückgegriffen hat. Laut Hindinger kann davon kaum die Rede sein. Mit Ausnahme einer kurzen Phase 2006 habe das Referat „mit großer Ernsthaftigkeit“ gearbeitet, den Präsidenten regelmäßig unterrichtet und sich keinesfalls verselbstständigt. „Ich hatte nie den Eindruck, dass das Referat von Frau Henneck in eine bestimmte Richtung gedrängt wurde“, sagte Hindinger.

Lediglich gegen Ende der OK-Arbeit hat es laut Hindinger „so manche Unschärfe“ gegeben. Grund war, dass das Referat am 30. Mai 2006 aufgelöst werden sollte, weil ein neues Gesetz dem Verfassungsschutz die OK-Zuständigkeit entzog. Unter erheblichem Zeitdruck hat Henneck dann offenbar versucht, die zumeist unbestätigte Hinweissammlung zur OK schnell noch gerichtsfest zu machen – und dabei womöglich jene „Unschärfen“ produziert. Henneck soll im Januar vor dem U-Ausschuss auftreten. Jürgen Kochinke/Ingolf Pleil

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