Dresdner Morgenpost, 29.12.2008
Recht auf Antworten - Bei der Frage, welche Rolle er kurz vor der Wende noch in der DDR-CDU spielte, verhedderte er sich erst im Nebulösen - und macht jetzt ganz die Schotten dicht.
Kommentar von Gerhard Jakob
Lange Zeit hatte Ministerpräsident Stanislaw Tillich ja den Ruf des umgänglichen Politbären. Offener Blick, aufrechter Gang, ungekünstelte Sprache. Nach den umstrittenen Amtsvorgängern schienen die Sachsen endlich mal einen Landesvater mit Draht zum Volk abbekommen zu haben.
Wie sich nun aber zeigt, ist Tillich offenbar auch nur ein Schönwetter- Liberaler. Kaum bläst ihm der politische Wind etwas ins Gesicht, zeigt er ein ganz anderes. Bei der Frage, welche Rolle er kurz vor der Wende noch in der DDR-CDU spielte, verhedderte er sich erst im Nebulösen - und macht jetzt ganz die Schotten dicht. Dabei wäre es ja wirklich für die Offentlichkeit von Interesse, welche Angaben er vor Jahren bei seiner „dienstlichen Erklärung" machte. Schließlichen mussten tausende Sachsen nach der Wende sich dieser Befragung stellen.
Um es noch einmal deutlich zu sagen: Es geht nicht darum, welche Nähe Herr Tillich zum Führungskader in der DDR hatte um ihm daraus eine wie auch immer geartete „Schuld" in die Schuhe zu schieben. Es geht darum, wie ehrlich er hinterher mit seiner Vergangenheit umgegangen ist. Und da, wo Zweifel auftauchen, hat die Öffentlichkeit bei einem Ministerpräsidenten selbstverständlich ein Recht auf Nachfragen - und die dazugehörigen Antworten.
Den Weg, den die Staatskanzlei nun aber einschlägt, ist nicht ungefährlich für den MP. Nachfragen abzublocken ist schon bemerkenswert. Dies aber mit Begründung zu tun, die Fakten könnten unliebsam „interpretiert" und „publizistisch ausgewertet" werden, offenbart doch ein recht eigenwilliges Verständnis von Verfassungsrechten. Der Ministerpräsident beansprucht neben der Fakten-Herrschaft über sich auch noch die Interpretationshoheit. Gerade damit aber verrät Stanislaw Tillich möglicherweise mehr über sich, als er selbst wahrhaben will ...