Freie Presse Chemnitz, 27.01.2009
Ex-Ermittlerin beklagt Hexenjagd
„Sachsensumpf": Simone Henneck geht in die Offensive
Sie gilt als Schlüsselfigur in der Sachsensumpf-Affäre: Übermotiviert und unkontrolliert habe sie einen Skandal inszeniert, der das Land erschütterte, werfen Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz der früheren Leiterin des Referats Organisierte Kriminalität vor. Vor der Öffentlichkeit und Vernehmungen bewahrten Simone Hennneck (49) anderthalb Jahre lang ärztliche Atteste. Gestern brach sie ihr Schweigen im Untersuchungsausschuss des Landtages.
Dresden. Die große Frau am Zeugentisch ist um Beherrschung bemüht. Sie sei schwer krank, sagte Simone Henneck. Ihr Arzt habe jede Art von Aufregung verboten. Doch sie habe sich dem Rat widersetzt und wolle Erklärungen abgeben, „solange meine physischen Kräfte reichen". Dann spricht sie, unterbrochen von kurzen Pausen, in betont akzentuiertem Hochdeutsch vier Stunden.
Licht in den Nebel, der den Sumpf aus mafiösen Verstrickungen in der Leipziger Immobilien- und Rotlichtszene durchdrungen haben soll, brachte Henneck nicht. Intensiv konzentrierte sie sich darauf, das Bild der von blindem Jagdeifer getriebenen Ermittlerin zu korrigieren. Weder habe sie ein unkontrolliertes Eigenleben geführt, noch Akten aufgebauscht. Diesen Eindruck hatte eine unabhängige Prüfkommission vermittelt, die ihre Ermittlungen aber nur auf die Befragung eines einzigen Referatsmitarbeiters gestützt hatte.
„Lebensfremd" sei die „Ein Frau These" bekräftigt Henneck. Sehr wohl sei die Spitze des Landesamtes über ihre Ermittlungen informiert gewesen. Doch Ende 2006 kam es zum Bruch. Da habe sie Vize-Chef Olaf Vahrenhold zur Vernichtung von Akten aufgefordert. Sie habe sich widersetzt und einer Mitarbeiterin, die den gleichen Auftrag hatte, geraten, ebenso zu verfahren. Im Mai 2007 habe sie Vahrenhold auch auf das Verschwinden von Unterlagen in zwei Komplexen aufmerksam gemacht.
Staatsanwaltschaft, Regierung und Verfassungsschutz haben die „Legende von der Alleinschuld der Simone H. verbreitet", beginnt die Zeugin dann in eine merkwürdig entrückte Distanz zu sich selbst zu treten. Denn am 3. Juli 2007 begann etwas, das sie mit „Hexenjagd" und „Hexenverbrennung" bezeichnet. An diesem Tag hatte der neue Verfassungsschutz-Präsident Reinhard Boos in einer Pressekonferenz seine Referatsleiterin für die Aktenmanipulation verantwortlich gemacht.
„Simone H. sollte physisch, psychisch und finanziell ruiniert werden", sagt die Zeugin und beschreibt den Abend des 3. Juli 2007. Todesangst habe sie verspürt, als sie im Ruheraum des Landesamtes von Verfassungsschutzchef Reinhard Boos befragt wurde. Wie eine Folter habe sie dessen Verdacht, Dienstgeheimnisse verraten zu haben, empfunden, während Sanitäter warteten, sie in die Klinik zu bringen. Später habe man eine Hirnhautentzündung diagnostiziert.
„Opferschutz gilt nicht für Simone H.", beklagt die Ex-Staatsanwältin ein „makabres, menschenverachtendes Spiel", in dem ihr auch durch Vorenthalten von Akten elementare Rechte entzogen worden seien. Neben drei Disziplinarverfahren habe sie auch die Aberkennung ihrer Beförderung zur Regierungsdirektorin quittieren müssen.
Trotzig und mit einem kräftigen Schuss Pathos versehen klingt das Selbstbekenntnis von der unbeugsamen, gerechten Ermittlerin. „Der Scheiterhaufen unter Simone wird weiter brennen", schließt sie.
VON HUBERT KEMPER