Agenturen dpa, 16:40 Uhr, 30.01.2009
Verfassungsgericht stellt Verletzung von Minderheitsrechten fest
Leipzig (dpa/sn) - Der CDU-dominierte Untersuchungsausschuss des Landtages zur Aktenaffäre hat die Minderheitenrechte von Mitgliedern anderer Parteien verletzt. Das entschied der Verfassungsgerichtshof in Leipzig am Freitag. Die Richter monierten die mangelnde Umsetzung eines im Ausschuss gefassten Beweisbeschlusses vom Oktober 2007. Konkret ging es um die Vernehmung mehrerer Zeugen, was mit CDU-Mehrheit jeweils abgelehnt wurde. Die Union hat in dem Gremium 10 Mitglieder, danach folgen Linke (5), SPD (2) sowie FDP, Grüne und rechtsextreme NPD mit je einem Abgeordneten. Nach Aussagen von SPD-Obmann
Karl Nolle hatten sich die Sozialdemokraten bei der entscheidenden Abstimmung enthalten.
Das Gericht verwies auf die Verfassung des Freistaates. Aus ihr ergebe sich die «Verpflichtung des Untersuchungsausschusses, den auf einem Minderheitsantrag beruhenden Beweisbeschluss zu vollziehen». Zwar lägen die «Verfahrensherrschaft» im U-Ausschuss und damit die Entscheidung über die Reihenfolge der Beweiserhebung und Termine grundsätzlich in der Hand der Ausschussmehrheit. Die «Verwirklichung des Aufklärungszieles» dürfe durch die Gestaltung des Verfahrens aber nicht in Gefahr geraten, hieß es weiter (SächsVerfGH, Urteil vom 30. Januar 2009 - Vf.99-I-08).
Die Linken sprachen von einer «Lehrstunde der Demokratie». Die Verfassungsrichter hätten die Minderheitenrechte gestärkt und die «Arroganz der CDU deutlich in die Schranken gewiesen». Die Richter hätten einmal mehr klar gemacht, welche Bedeutung der Minderheit im Ausschussrecht zukomme, erklärten der Vorsitzende des Ausschusses, Klaus Bartl (Linke), und die Obfrau der Linken, Caren Lay. Im konkreten Fall habe die durch CDU-Mitglieder dominierte Ausschuss- Mehrheit ein Jahr lang in verfassungswidriger Weise die Arbeit blockiert. Gegen die wiederholte Ablehnung bestimmter Zeugen hatten fünf Mitglieder der Linken und Grünen geklagt.
Auch die CDU reagierte zustimmend. «Wir begrüßen das Urteil, weil damit eine Klarstellung erfolgt ist», sagte Fraktionssprecher Dirk Reelfs der dpa. Allerdings ändere das nichts daran, dass der «Sachsen-Sumpf» eine Legende sei. Grünen-Politiker Johannes Lichdi äußerte sich auch kritisch zur Rolle der SPD: «Es ist ein Armutszeugnis, dass wir in Sachsen erst alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen mussten, um die Aufklärungsarbeit im 2. Untersuchungsausschuss voran zu bringen, während Vertreter von CDU und SPD alles daran setzen, die Arbeit im Ausschuss zu verzögern.»
Der im Sommer 2007 vom Landtag eingesetzte Untersuchungsausschuss befasst sich mit möglichen Versäumnissen der sächsischen Regierung in der Aktenaffäre. Dabei geht es um Material des Geheimdienstes zur Organisierten Kriminalität. Es war 2007 in Medien aufgetaucht und diente als Beleg für die Existenz krimineller Netzwerke im Freistaat, zu denen angeblich auch Juristen, Politiker und Polizisten gehörten. Externe Prüfer hielten das Material für aufgebauscht, die Ermittlungen dazu wurden später eingestellt. Sachsens Regierung sah die Vorwürfe damit widerlegt. Nach mehreren Zeugenaussagen im U- Ausschuss tauchten zuletzt aber wieder Zweifel an dieser Version auf.
[Verfassungsgericht): Harkortstr. 9, 04107 Leipzig
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