Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 17.02.2009

„Kollektive Vergebung“

CDU-Generalsekretär Kretschmer fordert Umdenken in Debatte um CDU-Blockparteivergangenheit
 
Dresden. In der Debatte um die Rolle der Ost-CDU und die Attacken von SPD-Mann Karl Nolle schlägt Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer neue Töne an. 20 Jahre nach der Wende müsse es die Möglichkeit zur „kollektiven Vergebung“ geben. Das gelte auch für Ex-Mitglieder der Block-CDU oder der SED. Nolle wirft Kretschmer vor, einen vernünftigen Umgang mit der DDR-Vergangenheit zunichte zu machen.

Das Werk ist noch gar nicht erschienen, im Freistaat aber ist es weiter in aller Munde. Ende März will Nolle sein Schwarzbuch zur DDR-Blockvergangenheit vieler CDU-Würdenträger präsentieren – unter dem Titel: „Sonate für Blockflöten und Schalmeien“. Doch jedes Mal, wenn im Vorfeld ein weiterer Aspekt aus dem Werk die Runde macht, ist die Reaktion ähnlich: Es gibt aufgeregte Debatten von allen Seiten. Das war im Herbst so, als Nolle Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) anzählte, und es war vor kurzem im Falle von Ex-Innenminister Heinz Eggert (CDU) nicht anders.

Für Kretschmer geht dies am Lebensgefühl der Ostdeutschen vorbei. „Wenn jemand 20 Jahre nach der Wende sagt: Ich habe damals Fehler gemacht – dann muss auch Versöhnung möglich sein“, meint der CDU-Generalsekretär. Nolle dagegen schaue mit der Wessi-Brille auf Ost-Biografien. Diese Rechnung gehe nicht auf. „Er macht den Leuten einen Vorwurf“, sagt Kretschmer, „das geht schief“. Nolle selbst hatte stets auf der Lesart bestanden, seine Kritik betreffe nur 0,2 Prozent der DDR-Bevölkerung – jene Staatsfunktionäre mit CDU-Parteibuch, die Karriere gemacht hätten und heute nicht mehr daran erinnert werden wollten.

Im Gegensatz dazu plädiert Kretschmer für das, was er „kollektive Vergebung“ nennt. Im Jahr 2009 dürften Menschen nicht nur an ihrer Rolle zu DDR-Zeiten gemessen werden. Entscheidend sei, was sie danach gemacht hätten. „Das gilt gleichermaßen für alle, ob SED oder Block-CDU“, sagte er. Es komme allerdings darauf an, wie sich der Betroffene damit auseinander gesetzt habe. „Auch einem Stasi-Mann, der sich entschuldigt hat und bereut, würde ich eine zweite Chance geben.“

Prinzipiell ist Vergebung nach Ansicht von Kretschmer auch bei Mitgliedern der Linken denkbar. Der Unterschied zur CDU sei allerdings gravierend: „Wir stellen keine Stasi-Spitzel auf und sind dann auch noch stolz darauf.“ Hier verwies der CDU-Mann speziell auf den Fall des Leipziger Linken-Abgeordneten Volker Külow.
SPD-Generalsekretär Dirk Panter hält Kretschmers Einsatz für ein „abenteuerliches Ablenkungsmanöver“. Sachsens CDU versuche, per Ost-West-Debatte die eigenen Probleme zu umschiffen. „Es geht um den Umgang mit der eigenen Vergangenheit in einer Partei, die sich wie die Union jahrelang zum moralischen Gralshüter aufgeschwungen hat.“ Und von einer SPD-Kampagne, wie von manchem in der CDU behauptet, könne schon gar nicht die Rede sein.
von Jürgen Kochinke

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