DNN/LVZ, 18.02.2009
„Kollektive Vergebung“ – Kretschmer löst Kontroverse aus
CDU-Generalsekretär stößt mit Beitrag zum Umgang mit DDR-Funktionären auf Zuspruch und Kritik / Debatte um Generalabsolution
Dresden. Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer hat mit seiner Forderung nach einer „kollektiven Vergebung“ für Täter des DDR-Regimes für eine Kontroverse gesorgt. „Man muss Menschen zubilligen, dass sie sich ändern“, sagte die Dresdner CDU-Abgeordnete Friederike de Haas (CDU). „Dabei darf aber nichts unter den Teppich gekehrt werden.“ Wesentlich härter reagierte ein CDU-Abgeordneter aus Ost- sachsen. Kollektive Vergebung könne es nicht geben, „eine solche Äußerung steht Herrn Kretschmer gar nicht zu“. Dagegen stellte sich der Leipziger Robert Clemen (CDU) hinter den Generalsekretär. „Verzeihen muss möglich sein“, meinte er.
Kretschmer hatte in der Debatte um die Rolle der Ost-CDU und die Attacken von SPD-Mann
Karl Nolle ein Umdenken gefordert (diese Zeitung berichtete). 20 Jahre nach der Wende müsse es die Möglichkeit zur „kollektiven Vergebung“ geben. „Das gilt gleichermaßen für alle, ob SED oder Block-CDU.“ Dabei komme es darauf an, wie sich die Betroffenen damit auseinander gesetzt hätten. „Auch einem Stasi-Mann, der sich entschuldigt hat und bereut, würde ich eine zweite Chance geben.“ Gleichzeitig warf er Nolle vor, mit seinem Buch über Mitglieder der Block-CDU einen vernünftigen Umgang mit der DDR-Vergangenheit unmöglich zu machen.
Hier legte Clemen gestern nach. „Herr Nolle handelt nach dem Muster eines übereifrigen Stasi-Spitzels, der akribisch belastendes Material sammelt und das zu Schmutzkampagnen zusammenfügt.“ Dagegen sprach Nolle von einer interessanten Wende. „Nachdem der CDU-Generalsekretär die Rote-Socken-Kampagne abblasen musste, weil immer mehr schwarze Füße rausguckten, denkt er nun daran, ehemaligen regimetragenden Funktionären Generalabsolution zu erteilen.“
Die Dresdner SPD-Vorsitzende Sabine Friedel sprach von einer „überraschende Rolle rückwärts“. „20 Jahre lang hat die CDU alles verteufelt, was aus der DDR stammte, nun ist plötzlich alles anders.“ Der Landesgeschäftsführer der Linken, Rico Gebhardt, warf Kretschmer vor, dessen „Vergebungsrhetorik“ sei unglaubwürdig. Im Gegensatz zur CDU habe sich die Linke längst mit der eigenen Vergangenheit auseinander gesetzt.
Jürgen Kochinke