Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 14.03.2009

Wahlpleite: CDU macht sich auf Suche nach Ursachen

Weiter Wirbel um Verweigerungshaltung von Christdemokraten im sächsischen Landtag - „Trennungsschmerz“ und internes Misstrauen
 
Dresden. Auch zwei Tage nach der Abstimmungspleite im Landtag rumort es weiter in der sächsischen CDU. „Natürlich ist das Ergebnis bitter, und es ärgert sich niemand mehr darüber als wir selbst“, sagte CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer gestern in Dresden. „Jetzt aber geht es darum, nach vorn zu schauen und die Mehrheit für Horst Köhler zu organisieren.“ Am Mittwoch hatten bei der Bestimmung der Wahlleute für die Bundesversammlung neun der insgesamt 55 CDU-Landtagsabgeordneten der eigenen Liste die Zustimmung verweigert.
Damit kann die Sachsen-Union nur 14 statt ursprünglich 16 Wahlleute in die Versammlung schicken (diese Zeitung berichtete). Im Gegenzug erhalten Sachsens Sozialdemokraten zwei Plätze und die Grünen einen Platz mehr, als ihnen rechnerisch zusteht. Damit sind die Chancen von SPD-Kandidatin Gesine Schwan erheblich gestiegen.

In Dresden machten sich die Christdemokraten gestern auf die Suche nach den Ursachen fürs Debakel. Für den Leipziger CDU-Abgeordneten Robert Clemen steht die Tatsache im Vordergrund, dass nach der Landtagswahl im August viele altgediente CDU-Politiker ausscheiden werden – zum Teil unfreiwillig. „Jeder größere Wechsel bringt Verwerfungen“, sagte er, das Abstimmverhalten sei Ausdruck eines „Trennungsschmerzes“. Gleichzeitig gelte aber, dass „jeder Generationswechsel auch eine Chance ist“.

Wesentlich schärfer blickt Thomas Colditz (CDU) auf die Verweigerungshaltung der Heckenschützen aus den eigenen Reihen. „Das ist unsäglich.“ Als Mitglied der Zählkommission hat Colditz das Desaster unmittelbar miterlebt und meint: „Das Schlimmste ist, dass man nicht weiß, wer’s war. Alle lächeln einen nur an, keiner geht offen damit um. Das sät Misstrauen.“ Gleichzeitig verwies Colditz auf die CDU-interne Vorgeschichte. „Unter Kurt Biedenkopf wurden kritische Worte an die eigene Adresse nicht honoriert, und unter Nachfolger Georg Milbradt ist es teilweise noch schlimmer geworden.“ Das fördere nicht gerade die Neigung zum offenen Meinungsaustausch. Die Negativfolgen habe der neue Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) zu tragen.

Bei SPD und Grünen ist die Freude über den Stimmenzuwachs zwar spürbar, unmittelbarer Jubel aber fehlt. „Ich bedanke mich für die tatkräftige Unterstützung der CDU für Gesine Schwan“, sagte SPD-Fraktionschef Martin Dulig. „Wir machen uns aber Sorgen, ob die Union noch ein zuverlässiger Regierungspartner ist.“ Und Grünen-Fraktionschefin Antje Hermenau meinte: „Die CDU wirkt, als stände sie am Rande der Selbstauflösung.“ Das aber sei kein Grund für Häme, sondern höchst bedenklich. „Was hier vorgelebt wird, ist politische Unkultur pur.“
Jürgen Kochinke

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: