DNN/LVZ, 16.03.2009
Aasgeier, Pisa und Geheimnisverrat
DRESDNER DEPESCHE von Jürgen Kochinke
Moderne Technik ist zuweilen ein Segen, für manch einen aber auch ein Fluch. Für Gottfried Teubner zum Beispiel: Der Vorsitzende des U-Ausschusses zur SachsenLB musste vor einer Woche keinen Geringeren als Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) vernehmen, und entsprechend groß war der Andrang der Fotografen. Gleich dutzendfach schossen sie Bilder, Teubner war zunehmend genervt. Also beendete er das Treiben der Journallie hochoffiziell – und beugte sich dann leise zum Nachbarn hinüber: „Wie die Aasgeier ...“ Das war natürlich intern gemeint, leider aber hatte Teubner eine Kleinigkeit übersehen: Sein Mikro war noch immer auf volle Lautstärke gestellt, und so schallte der böse Satz durch den ganzen Saal.
Die Sachsen-CDU und ihre Abstimmungspleite im Landtag – auch hier gilt die alte Regel: Wer den Schaden hat, braucht für Spott nicht zu sorgen. Da hatte doch eine Reihe von CDU-Abgeordneten die Wahlzettel falsch ausgefüllt und so die Unions-Linie für die Bundespräsidenten-Wahl torpediert. Peinlich, peinlich. FDP-Chef Holger Zastrow ließ das nicht ruhen. „Sachsens Schüler schneiden bei Pisa-Tests hervorragend ab, überhaupt gelten die Sachsen als äußerst helle“, streichelte der Liberale des Volkes Seele und fügte hinzu: „Leider ist die CDU-Fraktion in dieser Hinsicht kein Spiegelbild der Gesellschaft.“ Nun könnte man meinen, Zastrow sei Opposition und dürfe das deshalb. Doch auch in der Union gab es bitter-ironische Worte. CDU-Fraktionschef Steffen Flath zum Beispiel kommentierte es auf seine Weise: „Ich hab’ vorgeschlagen, eine Grundschullehrerin einzustellen„ – und jeder konnte sich denken, was gemeint war: eine Art Nachhilfe für lernschwache Abgeordnete aus der eigenen Fraktion. Pisa lässt grüßen.
Wenn Staatsanwälte gegen hohe Beamte ermitteln, hält sich die Freude meistens in Grenzen. Im Falle von Rainer Stock könnte es sich jetzt etwas anders verhalten. Der Ex-Chef von Sachsens Verfassungsschützern, der wegen der Aktenaffäre seinen Hut nehmen musste, soll seit Wochen im U-Ausschuss vernommen werden – was akutes Unwohlsein in der Staatsregierung auslöst. Doch bisher konnte Stock der peinlichen Befragung via Krankmeldung entgehen – ein übliches Verfahren, das aber einen Schönheitsfehler hat: Es lässt sich nicht ewig durchhalten. Jetzt gab es eine Meldung, die geeignet ist, die regierungsamtlichen Nerven etwas zu beruhigen: Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Geheimnisverrats, und wir würden natürlich nie behaupten, dass das sachfremde Gründe hat. Doch zwecks politischer Bildung sei ein kleiner Hinweis erlaubt: Solange Ermittlungen gegen ihn laufen, kann Stock die Aussage vor dem U-Ausschuss zumindest teilweise verweigern. Wie Praktisch.