Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 11.04.2009

Streitfall DDR-Geschichte

Sachsens CDU-Generalsekretär Kretschmer ruft zur Versachlichung der Diskussion auf
 
Berlin/Leipzig (ski/ddp/dpa). Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat eine differenzierte Beurteilung der DDR gefordert - und ist umgehend dafür hart kritisiert worden. Der Historiker Hubertus Knabe warf ihm eine Tendenz zur Verharmlosung der SED-Diktatur vor. Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer rief indes zu einer Versachlichung der Debatte auf.

Thierse hatte zuvor gesagt, der Umgang mit der DDR-Geschichte leide daran, dass sie in den 90er Jahren als eine Skandalgeschichte von Feigheit und Verrat vermarktet worden sei. „Stasi war das Faszinosum. Das ist verständlich, aber darin geht die DDR-Geschichte nicht auf", sagte Thierse. Er forderte, es müsse unterschieden werden zwischen dem System namens DDR und den Menschen, die in diesem System gelebt haben. „Das Urteil über die DDR ist eindeutig: Sie war kein Rechtsstaat. Sie war eine Diktatur. Sie war ein System der Misswirtschaft, das deshalb am Schluss auch in sich zusammengebrochen ist."

Ebenso sprachen sich die Fraktionschefs von SPD und Linken im Bundestag,Peter Struck und Gregor Gysi, gegen eine pauschale DDR-Kritik und für eine differenzierte Betrachtung aus. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sagte, es sei zwar problematisch, einzelne Punkte herauszustellen, die in der DDR gut gewesen seien. Er stellte aber klar: „Die Menschen in der DDR haben in millionenfacher Art und Weise Gutes geleistet und können zu ihrem Lebenswerk stehen." Man könne sehr wohl diese Lebensleistung loben, aber trotzdem eindeutig klarmachen, „dass die DDR ein Unrechtssystem war".

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) reagierte heftig - und warnte vor einem Schönreden der DDR. Deren Ende und die „historische Niederlage der sozialistischen Zwangsideologie" hätten gezeigt, dass der Gedanke der Freiheit stärker sei als jedes Unterdrückungsregime. Hubertus Knabe, Direktor der Stasi Opfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, griff Thierse direkt an: Dessen Forderung, zwischen den Menschen und dem System in der DDR zu unterscheiden, sei ebenso „trivial wie irreführend". Anders als Thierse meine, sei nicht zu viel, sondern zu wenig über die jahrzehntelange Unterdrückung in der DDR gesprochen worden. „Es ist verständlich, wenn Politiker vor Wahlen den Menschen nach dem Munde reden. Bei der Bewertung einer Diktatur sollten sie jedoch nicht herumeiern", schimpfte Knabe.

Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer rief zu einer Versachlichung der DDR-Debatte auf. „Ich würde mir wünschen, dass wir ohne die üblichen Reflexe auskommen", sagte Kretschmer dieser Zeitung, fügte aber umgehend hinzu: „Offensichtlich muss erst die Zeit einer ganzen Generation vergehen, bis das möglich ist." Er halte es für müßig, sich immer wieder an der Frage abzuarbeiten, was die DDR denn nun gewesen sei. Jeder solle das Recht haben, sich an seine individuellen Glücksgefühle erinnern zu dürfen - „worum es gehen muss, ist, dass die richtigen Lehren gezogen werden".

Wichtig sei, so Kretschmer, dass es weder eine Verharmlosung der DDR, noch eine kollektive Schuldzuweisung gibt. „Wir müssen uns nicht von Westdeutschen vorwerfen lassen, in der DDR gelebt zu haben. Gleichzeitig müssen wir aber auch Leuten wie der Linken auf die Finger klopfen, die sich heute als Spitze der Reformbewegung hinstellen wollen. Und wir müssen ganz klar sagen, dass wir mit ehemaligen Stasi-Zuträgern, wie es beispielsweise Volker Külow war, nichts zu tun haben wollen."

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