Karl Nolle, MdL

Süddeutsche Zeitung, 28.04.2009

Fahndung nach einem WC-Deckel in Silbermetallic

Sachsens Justizminister Geert Mackenroth ficht einen Streit mit zwei Ex-Mietern aus - auch am Dienstcomputer
 
Dresden/Itzehoe - Die Ermittler klingelten kurz vor halb zehn am Vormittag. Doch die. Gegenstände, derentwegen die Kriminalpolizei ausgerückt war, um in der Nähe der schleswig-holsteinischen Kleinstadt Itzehoe eine Wohnung samt Garage und Autos zu filzen, kamen den Fahndern offenbar selbst etwas albern vor. Gesucht wurden gebrauchte Gardinen in unterschiedlichen Farben: So etwa Stores „aus gelbem Baumwollstoff", Schals aus Synthetikgewebe, „beige mit braunem Blumenmuster", sowie eine „grün-weiß gestreifte Gardine", wie es detailliert samt Größenangabe des jeweiligen Stücks im Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Itzehoe hieß. Zudem sollte nach einer Toilettenbrille gefahndet werden, die auf der Gerichtsliste als „1 WC-Deckel in Silbermetallic" aufgeführt war.

Eine Strafanzeige aus Sachsen hatte die Hausdurchsuchung bei dem Kleinunternehmer Andreas Kehren und dessen Lebensgefährtin ausgelöst. Und das in geschliffenem Juristendeutsch verfasste Schriftstück stammte aus einer unter Strafrechtlern prominenten Feder: Sibylle Mackenroth, Gattin des sächsischen Justizministers Geert Mackenroth (CDU), firmierte als offizielle Unterzeichnerin des fünfseitigen Papiers, in welchem Andreas Kehren und seine Freundin bezichtigt wurden, die Haushaltsgegenstände unterschlagen zu haben.

Der Minister half bei der Formulierung
der Strafanzeige.

Ehegatte Geert hatte seiner Frau „bei der Formulierung ihrer Anzeige geholfen", wie er nach dem Absenden des Papiers in einer schriftlichen Zeugenaussage für die Staatsanwaltschaft Itzehoe einräumte. Doch mit der Hausdurchsuchung haben die Mackenroths „überhaupt nichts zu tun", versichert der Minister der Süddeutschen Zeitung: Die Staatsanwaltschaft habe „von sich aus" die Ermittlungen angeordnet.

In Itzehoe ist Geert Mackenroth kein Unbekannter, denn bis zu seiner Übersiedlung nach Dresden im Jahr 2003 stand der heute 59-jährige Jurist dem dortigen Landgericht als Präsident vor. In dieser Funktion war Mackenroth Vorgesetzter des Ermittlungsrichters gewesen, der den jetzt in Rede stehenden Durchsuchungsbeschluss verfasst hat. Auch der Staatsanwalt, der die Causa Mackenroth bearbeitet, ist dem Minister nach eigener Darstellung wohlbekannt.
Doch dies könne ja wohl nicht dazu führen, dass die Frau eines ehemaligen Landgerichtspräsidenten heute „rechtlos gestellt wird, sich schädigen lassen und auf fünfstellige Summen verzichten soll", so der Minister im Gespräch mit der SZ.

Sibylle Mackenroth führt eine ganze Reihe von Zivilrechtsverfahren gegen Andreas Kehren und dessen Freundin, die einstmals Mieter im Haus des Ehepaares waren. Auch ihr Gatte Geert Mackenroth blieb dabei nicht außen vor, korrespondierte er doch immer wieder von seinem dienstlichen E-Mail-Account aus mit den Ex-Mietern. Dreh- und Angelpunkt des Streits ist ein rotes Backsteingebäude, das in einem Dorf bei Itzehoe steht. Zehn Zimmer mit Swimmingpool im Untergeschoss, ein Garten und eine Fahnenstange gehören dazu - alles in allem 230 Quadratmeter Wohnfläche. Nach dem Wegzug aus Itzehoe hatten die Mackenroths vergeblich versucht, das Haus zu verkaufen. Im Herbst 2006 zogen dann Kehren und seine Freundin ein und blieben bis Januar 2008. Monate später, das Haus war inzwischen verkauft, begann Sibylle Mackenroth ihre einstigen Mieter mit einer wahren Flut von Klagen zu überziehen: So verlangt sie Schadenersatz für angebliche Schäden in Haus und Garten von mehr als 12 000 Euro. Dabei ist unklar, in welchem Zustand die Immobilie beim Einzug der Mieter war. „Ein gemeinsames Übergabeprotokoll wurde nie erstellt", sagt der Anwalt der Mieter, Ortwin Krause.

Anwalt: Mackenroth versucht „mit den Mitteln des Strafrechts
Druck auf zivilrechtliche Auseinandersetzungen auszuüben".

Parallel zu den Zivilrechtsklagen erstattete Sibylle Mackenroth im März 2008 die Strafanzeige, als deren Folge die Kripo Itzehoe schließlich im Oktober 2008 in der neuen Wohnung von Andreas Kehren und seiner Partnerin zur Hausdurchsuchung anrückte. Weder der Klodeckel noch die Gardinen wurden gefunden. Für den Mieter-Anwalt Krause stellt die Strafanzeige den Versuch dar, „mit den Mitteln des Strafrechts Druck auf die zivilrechtlichen Auseinandersetzungen auszuüben". Dazu sagt Mackenroth: „Selbst wenn es so wäre, wäre das nicht verboten". Zu den zivilrechtlichen Klagen seiner Gattin lässt Mackenroth durch die Pressestelle des Ministeriums erklären: „Meine Frau hat vielfach, aber bisher immer vergeblich, versucht, die Beklagten zur Erfüllung der noch offenen Forderungen zu bewegen". Leider sei ihr keine andere Möglichkeit geblieben, „als die Streitigkeiten vor einem Gericht zu klären".

Der Anwalt hält Mackenroth Einschüchterung
seiner ehemaligen Mieter vor.

Oft genug hatte sich jedoch auch der Minister selbst in den Streit mit den Mietern eingeschaltet. So mahnte er sie an, wenn ihre monatlichen Zahlungen nicht pünktlich eingetroffen waren. Als angeblicher Unterzeichner der Mails firmierte dabei zwar zuweilen seine Ehefrau Sibylle - abgesendet wurde die elektronische Post jedoch häufig mit der Adresskennung „Mackenroth, Geert - Justiz, SMJ" - dem offiziellen Dienst-E-Mail-Account des Ministers. Aus Sicht seiner Mandanten hat sich dadurch der Eindruck ergeben, dass ihr Gegenpart nicht irgendeine Privatperson, sondern ein Minister samt Ministerialapparat sei, sagt Mieter-Anwalt Krause dazu und moniert: „Die Mieter sind hierdurch völlig eingeschüchtert worden." Mackenroth hingegen betont, die Leute hätten von Anfang an gewusst, „wer der Ehemann ihrer Vermieterin ist", weshalb die E-Mail-Adresse sie keineswegs erschreckt haben könne.

Kurz vor Beginn der Korrespondenz mit den Ex-Mietern vom MinisteriumsAccount aus hatte Mackenroth eine Dienstvereinbarung zur E-Mail-Nutzung für den „Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Justiz" abschließen lassen. Demnach ist „eine private Nutzung von E-Mail" im Justizbereich „nicht gestattet". Nach Paragraph 2 der Vereinbarung gilt das Verbot „für alle Beschäftigten" des Ministeriums. Doch der Minister ist rein rechtlich davon ausgenommen - er gelte „nicht als Beschäftigter", teilt die Pressestelle zur Begründung mit.
Von Christiane Kohl

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