Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 29.04.2009

Ex-Prostituierte kritisiert Staatsanwälte

Die Justiz habe versucht, sie einzuschüchtern, sagt eine Zeugin im sogenannten „Sachsensumpf“-Ausschuss des Landtags.
 
Sie trägt den Tarnnamen Sarah, Fotos und Filmaufnahmen sind verboten. Die 33-Jährige sitzt im Landtag neben ihrem Anwalt. Sie spricht über ihre Vergangenheit als ehemalige Prostituierte im Wohnungsbordell „Jasmin“ in Leipzig. 16 Jahre liegen die Ereignisse schon zurück. Dennoch muss sie ihre Aussage im Untersuchungsausschuss zur sogenannten Korruptionsaffäre einige Male unterbrechen, weil sie immer wieder um Fassung ringt.

Zeugin nennt keine Namen

Mit Schlägen, Drohungen und Vergewaltigungen seien sie und die anderen Mädchen zum Bleiben gezwungen worden. Einmal sei ihr die Flucht gelungen, erzählt sie. Doch zuhause bei den Eltern habe sie Angst um die Sicherheit der anderen Mädchen bekommen und sei deshalb ins Bordell zurückgekehrt.

Das „Jasmin“ stand lange im Mittelpunkt der „Sachsensumpf“-Affäre, bei dem es um die Verwicklung von Juristen in das Leipziger Rotlichtmilieu, um Immobilienschieberei und Geheimnisverrat ging.

Wer die Kunden in dem Bordell waren, das Ende Januar 1993 aufflog, ist bis heute nicht aufgeklärt. Die Zeugin, die sich gestern nicht mehr genau erinnern konnte, ob sie zwei, drei oder sechs Wochen im „Jasmin“ festgehalten wurde, nannte gestern ebenfalls keine Namen. Weil sie selbst demnächst wegen Verleumdung vor Gericht steht, berief sie sich auf ihr Aussageverweigerungsrecht. Die Staatsanwaltschaft Dresden wirft ihr vor, einen früheren Staatsanwalt und einen inzwischen pensionierten Richter fälschlicherweise als Freier identifiziert zu haben. Sie hatte die Vorwürfe erstmals vor einem Jahr in Interviews erhoben und später bei der Staatsanwaltschaft Dresden wiederholt.

Kurioser Prozess

Die Staatsanwaltschaft habe sie bei den Vernehmungen eingeschüchtert und herabgewürdigt, sagte die Zeugin gestern. „Wenn ich der Richter wäre, würde ich Sie fertig machen“, soll der Vernehmer zu ihr gesagt haben. Sie sei gedrängt worden, zuzugeben, dass es sich um eine Verwechslung handelt. Die Staatsanwaltschaft Dresden erklärte dazu, die – anwaltlich begleitete – Zeugin sei kritisch, „aber mit Sicherheit nicht in unfairer Weise befragt“ worden.

Sollte der geplante Prozess gegen die Ex-Prostituierte am Amtsgericht Dresden stattfinden, droht eine kuriose Situation mit vielen Unwägbarkeiten. Denn ab dem 1. Mai übernimmt Norbert Röger als Präsident das Amtsgericht – der Mann, den die Zeugin laut Anklage „bewusst unwahr“ als einen Bordellkunden genannt hat. Das Oberlandesgericht muss jetzt über die Zuständigkeit entscheiden.

Ausgangspunkt der sogenannten Korruptionsaffäre war der Verfassungsschutz, der zeitweise für die Beobachtung der organisierten Kriminalität zuständig war und – wie die Behörde selbst meint, – mit unzulässigen Methoden gearbeitet hat. Verfassungsschutzpräsident Reinhard Boos stellte gestern als Zeuge klar, dass die Gerüchte über angebliche flächendeckende Korruption auf insgesamt fünf Quellen beruhten: zwei Polizisten, eine Staatsanwältin und zwei geheimdienstliche Quellen. Das ergebe sich aus Unterlagen, die im Panzerschrank gefunden worden waren.

Damit sei die von Teilen des Untersuchungsausschusses verbreitete These, der Korruptionsverdacht stamme aus einer Vielzahl von Quellen, falsch, sagte Boos. Die meisten Angaben stammten von einer Quelle namens „Gemag“, und dahinter stecke der Leipziger Kripo-Beamte Georg Wehling. Das habe ihm die Referatsleiterin bestätigt. Wehling selbst habe sich Vertraulichkeit zusichern lassen, was ihm als Polizist untersagt ist. „In jedem Fall gibt es keine belastbaren Hinweise auf einen Sachsensumpf.“
Von Karin Schlottmann

Karl Nolle im Webseitentest
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