DNN/LVZ, 06.05.2009
Ex-OK-Ermittler sieht erhebliche Defizite im Fall Jasmin
Aktenaffäre: Kriminalkommissar sagt im U-Ausschuss des Landtags zum Leipziger Kinderbordell aus
Dresden. Das Wörtchen „merkwürdig“ fiel an diesem Vormittag bestimmt ein halbes Dutzend mal. Mitte der 90er Jahre zum Beispiel habe es gegen einen Leipziger Zuhälter ein Urteil gegeben, „dieses merkwürdige“; und in dem entsprechenden Verfahren seien sowieso „so viele Ungereimtheiten, Auffälligkeiten und Merkwürdigkeiten“ vorgefallen, dass er nur habe staunen können. Der, der das sagte, heißt Andreas Kaziur, ist Kriminalkommissar in Leipzig und ermittelte einst im Bereich Organisierte Kriminalität (OK). Und der Prozess war jener rund um das 1993 geräumte Kinderbordell Jasmin.
Gestern trat der Ermittler im U-Ausschuss zur Aktenaffäre auf und legte sich an einem Punkt fest: Was im Jasmin geschah, sei nicht wirklich aufgearbeitet worden – damals nicht und bis heute nicht. Dabei ließ Kaziur keine Zweifel aufkommen. In Jeans und kariertem Hemd saß der 48-jährige Beamte auf seinem Stuhl, antwortete ruhig und präzise. „Erhebliche Defizite und Lücken“ habe es Mitte der 90er Jahre gegeben, vor allem „was die Freier betrifft“. Obwohl der eine oder andere Name bekannt gewesen sei, habe es keine Ermittlungen gegeben.
Das ist im Fall Jasmin die entscheidende Frage: Waren hohe Juristen dort als Freier verstrickt, wie eine ehemalige Zwangsprostituierte vor acht Tagen ausgesagt hat? Und ist eben dies die Erklärung für jene „Merkwürdigkeiten“, von denen Kaziur sprach? An diesem Punkt konnte der Ermittler gestern wenig Handfestes beitragen – außer der Vermutung, dass es wohl doch so war. Als er 1999/2000 die Ermittlungen aufgenommen habe, habe es jedenfalls keine konkreten Anhaltspunkte dafür gegeben, auch nicht von jener Zwangsprostituierten mit dem Pseudonym „Sarah“.
Eine etwas andere Lesart präsentierte gestern der Ex-OK-Kommissariatsleiter, Georg Wehling, bei seiner zweiten Vernehmung. Laut Teilnehmerkreisen hat der Polizist erstmals bestätigt, dass es eine zweite Bilder-Mappe mit möglicherweise hochrangigen Juristen gegeben habe – bestehend vor allem aus Zeitungsausschnitten. Bislang war nur von einer Foto-Sammlung die Rede. Das deckt sich möglicherweise mit der Aussage von „Sarah“.
Jürgen Kochinke