Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 20.06.2009

Nolles Blockflöten-Buch sorgt für Misstöne bei der CDU

Die Materialsammlung über Biografien von hohen CDU-Funktionären birgt neuen Ost-Zündstoff.
 
Die Lachshäppchen durften an Karl Nolles großem Tag nicht fehlen. Sichtlich vergnügt und stolz präsentierte der SPD-Landtagsabgeordnete gestern sein Erstlingswerk „Sonate für Blockflöten und Schalmeien“ im Dresdner Landtag.

Mit sechsmonatiger Verspätung legt der „Chefaufklärer“ damit sein mit Spannung erwartetes Buch über die „Kollaboration heutiger CDU-Funktionäre im SED-Regime“ vor. So lautet der Untertitel seines im Eigenverlag erschienenen Buches. Auf 336 Seiten listet der Dresdner Druckerei-Besitzer die Werdegänge von früheren Mitgliedern der CDU-Blockpartei in der DDR bis in die heutige Staatsspitze des Freistaats auf – vom Abgeordneten, über Landräte, Minister bis zum Ministerpräsidenten. „Meine Motivation ist die Doppelmoral der Mächtigen im Land“, so Nolle. Es sei „kein pauschaler Angriff auf die CDU“ – auch wenn nur Unions-Biografien enthalten sind. „Nicht die Biografien sind eine Schande, sondern der heutige Umgang damit“, kritisiert Nolle. „Karrieristen, Wendehälse, Janusköpfe“ hätten ihn darum besonders interessiert.

Auch in der SPD ist die persönliche Abrechnung Nolles umstritten. Und so versuchte der frühere Chef der Landtagsfraktion, Cornelius Weiss, die absehbar neue Aufregung um das Buch gestern bereits abzufedern. „Es ist keine Anklageschrift, es handelt sich nicht um einen Kreuzzug“. Doch die „schmerzliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit“ sei notwendig, „um weiterer Legendenbildung vorzubeugen“, so Weiss.

Neu-alte Vorwürfe gegen Tillich

Nolles erste Hörprobe seiner brisanten Blockflöten-Partitur konzentrierte sich erneut auf Ministerpräsident Stanislaw Tillich. Pünktlich zum Verkaufsstart des Nolle-Buches präsentierte die Zeitung „Die Welt“ zeitgleich eine neue Variante der früheren Tätigkeit Tillichs im Rat des Kreises der Stadt Kamenz. Bis Anfang 1990 war Tillich dort als Stellvertreter des Vorsitzenden für Handel und Versorgung tätig. Im Dezember 1989 habe er an der Enteignung eines Hausbesitzers in Kamenz mitgewirkt. Ein Protokoll belegt zumindest Tillichs Anwesenheit bei der Sitzung.

Doch Nolle geht neben den bereits seit Monaten bekannten Vorwürfen gegen Tillich und seine zögerliche Art der Vergangenheitsbewältigung in seinem Buch noch weiter: Er attackiert auch Tillichs Familie – seinen Vater, seine Mutter und Ehefrau Veronika. Letztere habe in ihrer Funktion als „Sekretärin für Agitation und Propaganda“ der CDU-Kreisleitung Kamenz 1987 an einem Lehrgang an der CDU-Kaderschule „Otto Nuschke“ in Burgscheidungen teilgenommen; eine Qualifikations-Maßnahme, die laut Nolles Unterlagen auch die heutige Landtags-Vizepräsidenten Andrea Dombois, Landrat Michael Czupalla (Nordsachsen) und Umweltminister Frank Kupfer genossen haben.

Nur neu aufgewärmt sind dagegen die Stasi-Kontakte von Star-Trompeter Ludwig Güttler und dem erst in dieser Woche wiedergewählten Präsidenten des Sächsischen Handwerkstages, Joachim Dirschka. Auch die Vorwürfe gegen Heinz Eggert, er habe in seiner Amtszeit als Innenminister hohe Stasi-Kader in die Polizei integriert, stellt Nolle dar –neu ist aber auch dies nicht. Auch dass der heutige Landespolizeipräsident Bernd Merbitz zu DDR-Zeiten wie alle Polizisten SED-Mitglied war, heute aber im CDU-Landesvorstand sitzt, ist seit Langem bekannt.

„Aktion geht nach hinten los“

Das ist auch die größte Schwäche von Nolles Buch: Die ehrgeizige, in Teilen durchaus verdienstvolle Materialsammlung kommt weithin über eine bloße Auflistung von Funktionen nicht hinaus. Es fehlt die Einordnung, eine Darstellung, wie denn die „Täter“, wie Nolle sie nennt, ihre Funktion damals ausgeübt haben – doch sie selbst kommen nicht zu Wort. Den weithin dokumentarischen Charakter des Buches entwertet zudem sein polemischer Stil. Dem Verkauf scheint das aber nicht zu schaden: 800 der insgesamt 2000 Exemplare umfassenden Erstauflage sind bereits vorbestellt. Er könne jederzeit nachdrucken, scherzte Nolle.

Bei Noch-Koalitionspartner CDU blieb die Empörung nicht aus. „Mit diesen Leuten ist keine vertrauenswürdige Zusammenarbeit mehr möglich“, nahm CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer die gesamte SPD in Mithaftung. Sie decke die Nolles „Wahlkampf-Attacke“. „Die Aktion wird aber nach hinten losgehen“, hofft Kretschmer. SPD-Generalsekretär Dirk Panter, der demonstrativ an der Buchvorstellung Nolles teilgenommen hatte, äußerte sich nur zaghaft. „Jeder muss sich seine Meinung bilden.“
Von Annette Binninger

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Das Buch ist im Buchhandel bestellbar zum Preis von 9,80 Euro (ISBN 978-3-00-028062-7) oder direkt beim Autor unter www.karl-nolle.de

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