Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 25.06.2009

Knallharter Richtungsstreit

Leitartikel von Jürgen Kochinke
 
Es war eine denkwürdige Plenarsitzung gestern in Dresden. Dabei war es nicht die Regierungserklärung von CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich, die in die Annalen des sächsischen Landtags eingehen dürfte. Auch Tillichs spezielle Lesart, dass die letzten fünf Jahre eine einzige Erfolgsgeschichte der Union gewesen seien, konnte nicht verwundern. Schließlich ist Wahlkampf – und Tillichs Bilanz war ein Beitrag dazu. Für Aufsehen sorgte vielmehr der Einsatz von Tillich-Stellvertreter Thomas Jurk. Denn was der SPD-Chef in einer Art Co-Regierungserklärung präsentierte, war nichts weniger als eine verkappte Kriegserklärung an die eigenen Leute – von Fraktionschef Martin Dulig über Generalsekretär Dirk Panter bis zu Karl Nolle.

Zwar versuchte Jurk, seinen Stockfehler hinterher wieder herunter zu spielen und den offenkundigen SPD-Zwist als Missverständnis zu deklarieren. Damit lässt sich aber das nicht mehr einfangen, um was es geht: In der SPD tobt ein knallharter Richtungsstreit. Während Jurk seit jeher auf Kompromisse mit der Union setzt, fordern nicht wenige Sozialdemokraten mehr Profil; während der SPD-Chef „seine“ Partei im Wahlkampf gern als Hort staatstragender Verlässlichkeit platzieren möchte, sucht vor allem Nolle die Konfrontation – nicht zuletzt beim Thema DDR-Biografie von Tillich.

Das ärgert nicht nur die CDU, es entspricht auch der heimlichen Neigung vieler Mitglieder. Denn fest steht, dass sich die 9,8-Prozent-Partei SPD auch nach fast fünf Jahren Regierungsbeteiligung noch nicht wirklich mit ihrer Rolle als Koalitionspartner einer übermächtigen Union angefreundet hat. Dabei ist es kein Zufall, dass die Lage gerade jetzt eskaliert. Denn längst liebäugelt die CDU mit der FDP, das mögliche Ende der schwarz-roten Zwangsehe zeichnet sich damit ab. Die SPD-internen Verfechter einer schärferen Gangart kommen damit nach vorn.

Das hat gravierende Folgen. Denn bei seinen Attacken auf die Union hat Nolle mittlerweile die Rückendeckung der jungen Garde um Dulig und Panter. Beide bestehen auf der Lesart, dass es bei der Debatte um die Blockflöten-Vergangenheit führender Christdemokraten nicht um deren Biografien an sich geht, sehr wohl aber um den aktuellen Umgang der CDU-Größen damit. Gestern nun ist dieser interne Grabenkampf öffentlich ausgebrochen. Jurk droht die Isolation in den eigenen Reihen – auch wenn er es hinterher so gar nicht gemeint haben will.
j.kochinke@lvz.de

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