Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 29.06.2009

„Ich kann auch anders“

SPD-Chef Jurk zu CDU-Blockflöten und Karl Nolle
 
Dresden. Erstmals seit seinem umstrittenen Auftritt im Landtag äußert sich Sachsens SPD-Chef und Wirtschaftsminister Thomas Jurk über die Rolle der Block-CDU sowie über Verstimmungen in der SPD. Tenor: Jurk geht ebenso auf Distanz zur Union von Regierungschef Stanislaw Tillich wie zu SPD-Mann Karl Nolle.

Frage: Sie haben in der vergangenen Woche für Verwirrung gesorgt in den eigenen Reihen. Auf Kritik stieß vor allem Ihr Verständnis für Ministerpräsident Tillich und dessen Blockflöten-Vergangenheit. Sind Sie ein heimlicher Verfechter von CDU-Positionen?

Thomas Jurk: Ganz sicher nicht. Aber im Gegensatz zu anderen bin ich der Meinung, dass man nach fünf Jahren Zusammenarbeit in der Koalition den Partner nicht nur attackieren sollte. Schließlich haben wir eine Menge geschafft. Außerdem habe ich in meiner Rede vor dem Landtag als Regierungsmitglied gesprochen, das ist etwas anderes als Opposition.

Wir haben aber längst Wahlkampf in Sachsen.

Die Plenartage in der vergangenen Woche waren der Abschluss der Legislatur. Da tritt man als Regierungsmitglied nicht auf, als wäre man Opposition. Das ist der falsche Ort. Die heiße Wahlkampfphase steht bevor. Da wird sich zeigen: Ich kann auch anders.

Übel genommen haben Ihnen die eigenen Genossen vor allem den Satz, dass man Tillich nach 20 Jahren nicht mehr vorwerfen sollte, in der DDR Verantwortung übernommen zu haben. Meinen Sie, dass man für die Block-CDU stellvertretender Chef im Rat des Kreises Kamenz werden musste, um Verantwortung zu übernehmen?

Mir ging es um etwas anderes. Um sich ein Urteil über heutige Spitzenpolitiker zu bilden, sind die DDR-Biografien nicht das alleinige Entscheidungskriterium. Schließlich ist das alles rund 20 Jahre her. Der aktuelle Maßstab muss der Umgang mit der eigenen Vergangenheit sein. Es geht darum, wie souverän, offen und verantwortlich jeder Einzelne heute mit seinem Lebenslauf umgeht. Wir wollen nicht den Stab über Menschen brechen, die sich damals mit den Verhältnissen arrangiert haben. Nicht hinnehmbar aber ist es, wenn die eigene Verantwortung heute geleugnet, vertuscht oder beschönigt wird. Das ist unehrlich, dann hört der Spaß auf.

Das klingt wie Karl Nolle.

Nicht wirklich. Ich teile zwar den Ansatz von Karl Nolle, dass es unehrlich ist, wenn Verantwortliche von damals jetzt mit Fingern auf andere zeigen und ihnen Unredlichkeit unterstellen. Und völlig unglaubwürdig wird die CDU, wenn sie einerseits rot-rote Bündnisse heraufbeschwört, andererseits aus reinem Machtkalkül mit der Linken in sächsischen Kommunen zusammenarbeitet. In der politischen Auseinandersetzung gibt es für mich jedoch eine klare Grenze: Wenn die Familie mit hineingezogen wird, ist der Bogen überspannt.

Tillich verweist aber selbst gern auf sein christlich geprägtes Umfeld.

Dennoch bleibe ich dabei: Das Leben von Familienmitgliedern darf nicht in politische Bücher und die Auseinandersetzung darüber hineingezogen werden.

In Ihrer Rede im Landtag haben Sie auf Kritik am Koalitionspartner CDU verzichtet. Hat Ihr Fraktionschef Martin Dulig deshalb so scharf reagiert?

Kritik an der CDU habe ich schon geführt, jedoch mit feiner Klinge. Martin Dulig als Fraktionsvorsitzender ist kein Kabinettsmitglied und kann daher schärfer in den Debatten auftreten. CDU-Fraktionschef Steffen Flath macht das ja genauso, auch er haut schon mal drauf.

Der Eindruck war ein anderer: Dulig hat eine Gegenrede zu Ihnen gehalten. Stört Sie das nicht?

Das hätte die CDU gerne, nur stimmt es nicht. Martin Dulig und mich verbindet viel. Er hat aber eine andere Aufgabe. In dem Fall war es eine klare Antwort auf Flaths Attacken gegen die SPD.

Ihr Parteifreund Gunther Hatzsch sieht das anders. Er spricht von Generationenkonflikt und Machtkampf in der SPD. Hat er recht?

Nein. Ich habe immer versucht, dafür zu sorgen, dass es eine Klammer gibt zwischen Alt und Jung. Politische Positionen sind schließlich keine Altersfrage. Aber darüber stand für mich immer die politische Maxime: Regieren lohnt sich – auch wenn es nicht immer einfach ist.

Warum hängen Sie so am Regieren?

Weil Gestalten der Sinn von Politik ist. Deshalb will ich weitermachen. Überspitzt gesagt: Wir können in den ersten 14 Tagen nach der nächsten Wahl mehr erreichen als in 14 Jahren Opposition. Auch bisher haben wir uns in der Regierung erfolgreich eingesetzt: für mehr Demokratie und gegen Rechtsextremismus; für den sozialen Arbeitsmarkt, das kostenlose Vorschuljahr und gegen Studiengebühren. Wir waren der Taktgeber in der Koalition. Ich will mir das, was wir in fünf Jahren aufgebaut haben, nicht durch Schwarz-Gelb kaputt machen lassen. Denn was dann kommt, ist klar: Sozialabbau, Billiglöhne, Chaos in der Regierung. Das haben die Sachsen nicht verdient.
Interview: Jürgen Kochinke

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Karl Nolle, Anmerkung zum Interview :
Das erste Exemplar meines Buches "Sonate für Blockflöten und Schalmeien - zum Umgang mit der Kollaboration heutiger CDU-Funktionäre im SED Regime" hat auf besonderen Wunsch selbstverständlich mein Parteivorsitzender Thomas Jurk erhalten. Man konnte es entweder selber lesen oder "lesen lassen", wie einmal Herbert Wehner gesagt hat, beide Möglichkeiten sind geignet, sich ein eigenes Bild zu machen und zu möglicherweise eigenen Erkenntnissen zu kommen. Wozu dient die Vorabinformation, wenn nicht ganau dazu?

Karl Nolle im Webseitentest
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