Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 04.07.2009

Stasi-Debatte um die Brandenburger Polizei

Wird Merkels Datsche von Ex-Stasi-Offizieren bewacht? Nein, sagt das Potsdamer Innenministerium, das in den 90er Jahren knapp 900 MfS-ler übernommen hatte
 
Ex-Stasi-Offiziere sind für die Bewachung von Angela Vlerkels Wochenendhaus in der Uckermark verantwortlich. Das meldete das ARD-Magazin „Moni:or" am Dienstag. Die Kanzlerin "ausspioniert von Ex-Stasi-Spitzeln?", fragte die „Bild"-Zeitung.

Nein, so ist es nicht, teilte das Brandenburger Innenministerium ;estern mit. Es gebe zwar zwei früiere hauptamtliche Stasi-Offiziere, die heute leitende Polizeibeamte im „Schutzbereich Uckermark" seien. Diese hätten aber nichts mit der Bewachung des Hauses von Angela
Merkel und ihrem Mann Joachim Sauer zu tun. Dafür sei das übergeordnete Polizeipräsidium Frankfurt (Oder) zuständig, das in Sachen Kanzlerinnen-Datsche mit dem Bundeskriminalamt zusammenarbeite. Alles also halb so wild.

Andererseits: Es gibt die beiden leitenden Polizeibeamten, die früher hauptamtlich für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR tätig waren. Und es gibt nicht nur sie.

Nach Angaben des Potsdamer Innenministeriums fanden sich Anfang der 90er Jahre im brandenburgischen Polizeidienst 242 hauptamtliche und 1 238 inoffizielle Stasi-Mitarbeiter. Im Laufe der Jahre seien „rund 600" von ihnen nach Befragungen und weiteren Überprüfungen „aus dem Polizeidienst entfernt" worden. Das bedeutet: Knapp 900 Stasi-Mitarbeiter — darunter 201 hauptamtliche — blieben
Brandenburger Polizisten.

Die Sache beschäftigt die Brandenburger schon seit einigen Wochen. Anfang Juni hatte sich der „Rundfunk Berlin-Brandenburg" des Themas angenommen und die
Überprüfungsverfahren der 90er Jahre aufgearbeitet. Der heutige Landesinnenminister Jörg Schönbohm (CDU) sah sich veranlasst, zu betonen, dass sein Polizeidienst keineswegs „Stasi-durchsetzt" sei. Knapp die Hälfte der rund 9.500 Polizeibeamten sei überhaupt erst nach der Wende ausgebildet und in den Landesdienst übernommen worden. Die anderen seien „bei Weitem nicht alle Mitarbeiter des MfS gewesen".

Recht großzügige Überprüfung

Aber Schönbohm hat sich zugleich von der Überprüfungspraxis der früheren brandenburgischen Landesregierung distanziert. Unter Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD), um dessen mutmaßliche Stasi-Tätigkeit aus seiner Zeit als Kirchenbeamter es jahrelangen erbitterten Streit gab, wurde der sogenannte „Brandenburger Weg" begangen, auf den man nach Einzelfallprüfung auch systemnahe DDR-Bürger „mitnehmen" wollte.

Der frühere Bundeswehrgeneral Schönbohm hat die Landtagsprotokolle von damals gelesen und gefunden, das „dies von einer großen Welle der Brüderlichkeit getragen" war. Nur leider sei die Stasi-Über prüfung der Landesbediensteten „ganz offensichtlich zum Teil doch recht großzügig" ausgefallen. Großzügiger als in anderen Ländern.

Schönbohm hat nun eine neue Überprüfung angekündigt — allerdings eine, die nicht zu Kündigungen führen wird. Diese wären 20 Jahre nach der Wiedervereinigung arbeitsrechtlich nicht mehr durchsetzbar. Schönbohm will aber „einen Beitrag zum inneren Frieden" leisten und dafür sorgen, dass Polizisten in den Innendienst versetzt werden, wenn Opfer des DDR-Systems in ihnen die wiedererkennen, die ihnen früher als MfS-ler zugesetzt hatten.

Schönbohms Haus hat am Freitag zugleich weiteren Angaben „Monitors" widersprochen. Im LKA arbeiteten nicht wie behauptet 200 ehemalige MfS-Offiziere, sondern 58. Und von denen seien 39 als junge Leute lediglich aufgrund ihres Kriminalistik-Studiums mit der Stasi verbunden gewesen.

Die Kanzlerin ließ gestern erklären, sie kenne keinen der angeblichen Stasi-Bewacher ihrer Datsche. Sie mische sich in diese Frage auch nicht ein.
Von Sven Siebert, Berlin

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