Sächsische Zeitung, 04.07.2009
Leserbriefe: Zu „Tillich wehrt sich: ,Ich weiß, ich habe mir nichts vorzuwerfen‘“, 2. Juli:
Tillich spielt mit seiner Glaubwürdigkeit
Mach‘ Dir nichts draus, das ist eine typische Kampagne, die da läuft“? Nein, das ist keine Kampagne. Und es spricht nicht für Tillichs westdeutsche Kollegen, derartige Kommentare abzugeben. Als Ministerpräsident, der den Anspruch hat, demokratisch zu sein, ist Herr Tillich dazu verpflichtet, Licht in seine DDR-Vergangenheit zu bringen. Bislang hat man allerdings eher den gegenteiligen Eindruck – es scheint, als verschweige Tillich einige unbequeme Wahrheiten, darauf hoffend, dass sie im Dunkeln bleiben mögen. Das ist keine besonders gute Empfehlung für eine erneute Amtszeit. Wer sich dann noch darauf beruft, sich nicht zu erinnern, der spielt mit seiner Glaubwürdigkeit.
Dr. Holm Putzke, Bochum
Für jedes Wetter den passenden Mantel
Herr Tillich war ein überzeugter Vertreter und Helfer des Unrechtsstaates DDR. Ohne diese Einstellung wäre er nie in seine damalige Position gekommen. Nach 20 Jahren wird versucht, diese Tätigkeit herunterzuspielen. Doch letztlich Schuld sind die Sachsen selbst. Die Wende herbeigekämpft und dafür auf die Straße gegangen, lassen sie sich nach 20 Jahren eine DDR-staatstreue Person mit hochrangiger Kreisleitungsfunktion als sächsischen Ministerpräsidenten vor die Nase setzen. Interessant wäre zu wissen, was wäre wenn? Wo wäre Herr Tillich heute, wenn es keine Wende gegeben hätte? Es gibt Menschen, die haben für jedes „Wetter“ einen Mantel im Schrank hängen.
M. Franke, Berggießhübel
Es gilt, mit gleichen Maßstäben zu messen
Ich frage mich nur, wenn Herr Tillich, um Karriere in der DDR zu machen, anstelle in die CDU in die SED eingetreten wäre, würde es heute gar keine solche Diskussionen geben. Er wäre schon von vornherein untragbar gewesen. Es gilt auch heute, wem nützt es? Man muss eben überall mit gleichen Maßstäben messen und nicht die einen verteufeln, wie es gerade Herr Flath, Fraktionsvorsitzender der CDU, immer sehr lautstark tut, weil sie sich vor über 20 Jahren politisch anders engagierten. Man sollte aufhören zu suchen, was die Menschen in der DDR taten, sondern sie an ihren Leistungen von heute messen, ohne Ansehen der Person und seiner politischen Vergangenheit. Damit rede ich nicht von Leuten, die Straftaten begangen haben.
Dr. Rolf Pester, Radeberg
Wofür schämt sich Tillich in seiner alten Funktion?
Sehr geehrter Herr Tillich, wenn Ihre Tätigkeit beim Rat des Kreises Kamenz kein Ruhmesblatt gewesen ist, so bringen Sie es doch bitte mal auf den Punkt: Schämen Sie sich dafür, in dieser Funktion etwas für die Verbesserung der Versorgung der DDR-Bevölkerung getan zu haben? Oder schämen Sie sich dafür, dass Sie dort vielleicht nicht genug dafür getan haben?
Hartmut Berndt, per E-Mail
In Wahrheit stört doch nur die Herkunft aus dem Osten
Kann man Herrn Tillich nicht einfach seine Arbeit machen lassen? Da wird sich doch zeigen, ob er loyal gegenüber dem Freistaat ist oder nicht. Mir kommt es manchmal so vor, als ob es immer noch Leute gibt, denen es überhaupt nicht passt, dass einer aus dem Osten Ministerpräsident ist. Ich bin fast überzeugt, dass man selbst bei Frau Birthler, wenn sie auf dem Posten sitzen würde, eine Stasi-Zusammenarbeit finden würde.
Herr Schwabe, Dresden
Die Vergangenheit der Blockparteien ausgeblendet
Ich bin auf Seiten von Herrn Tillich. Nicht, weil er der CDU angehört und ich ein Fabel für die neue Zeit habe, aber ich bin Realist und dafür, dass Ministerpräsident von Sachsen ein Ostdeutscher ist. Nur fällt mit dem Fall Tillich den Geschichtsaufarbeitern auf den Fuß, dass sie solches nicht vermögen. Die Bonner Politik hat nach 1989 schnell darauf gesetzt, die Blockparteien auf Vereinigungsparteitagen samt ihres Vermögens in die jeweiligen Westparteien einzugliedern, damit die politische Bühne der DDR derart gesäubert war, dass allein die SED als Sündenbock und Spitzbube im Rampenlicht blieb, auf die man sich nun mit Gebrüll stürzen konnte. Die Vergangenheit der Blockfreunde war von diesen wie der Politik ausgeblendet. Sie waren auch im öffentlichen Dienst tätig, und das war gut so. Auch sie haben an der Gestaltung der DDR mitgewirkt, was natürlich die Nolle & Co nicht begreifen, die nur Zwiespältigkeit sähen können und im Skandalösen zu Hause sind.
Gerhard Schiller, Dresden