Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 07.07.2009

Neue Enteignungsfälle setzen Tillich zu

Von Gunnar Saft
 
Fünfmal wurde aus Privat- Volkseigentum gemacht. Nun legt Ministerpräsident Stanislaw Tillich einen Fragebogen von 1999 offen.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) war in der DDR offenbar an mehr Zwangsenteignungen billigend beteiligt als bisher bekannt. Das belegen neu aufgetauchte Akten aus dem Archiv des Landkreises Kamenz, wo Tillich seit Mai 1989 Stellvertretender Ratsvorsitzender für Handel und Versorgung war.

Daraus geht hervor, dass der Rat des Kreises am 26. Oktober 1989 beschloss, das private Flurstück Pfortenstraße 4 in Volkseigentum umzuwandeln. Gleichzeitig wurden die Beschwerden gegen die bereits früher beschlossenen Enteignungen der Flurstücke Pfortenstraße 2 sowie Platz der Befreiung 13 (heute Markt 13) abgewiesen. Tillich hatte laut Anwesenheitsprotokoll an der Ratssitzung teilgenommen.

Staatskanzlei weiß von nichts

Bei den drei Immobilien handelt es sich um Häuser in bester Kamenzer Zentrumslage, die sich nur 200 Meter vom Sitz der damaligen Kreisverwaltung befinden. Zum Zeitpunkt der Zwangsenteignungen befanden sie sich in Besitz eines Westdeutschen sowie einer Erbengemeinschaft, die aus zwei DDR- und drei Bundesbürgern bestand. Tillichs Staatskanzlei erklärte gestern, sie könne zu den Fällen keine Auskunft geben, da sie über keinerlei Unterlagen verfüge.

Mit den drei neuen Fällen steigt die Zahl der Zwangsenteignungen, an denen Tillich mitgewirkt haben soll, auf fünf. So war bereits zuvor bekannt geworden, dass Tillich als früheres Ratsmitglied auch der Enteignung eines Grundstücks sowie eines Hauses in Kamenz zugestimmt hatte. Umstritten ist weiterhin, wie stark er in diese Aktionen eingebunden war. Wichtige Unterlagen des Kreisarchivs, die diese Frage beantworten könnten, fehlen. Nach SZ-Recherchen betrug der Archivbestand im Mai 1989 über 550 laufende Meter. Heute gelten dagegen nur noch Unterlagen von 220 laufenden Metern als vorhanden und verfügbar.

Gleichzeitig mit den neuen Vorwürfen sorgt der Personalfragebogen, den Tillich 1999 bei seiner Anstellung in Sachsens Staatsdienst ausfüllen musste, für Wirbel. Nachdem sich der Ministerpräsident monatelange juristisch gegen eine Veröffentlichung des Papiers gewehrt hatte, legte er den Fragebogen am Montag überraschend selbst offen. Wie erwartet sorgen die darin aufgeführten Antworten Tillichs zu seiner DDR-Vergangenheit für Kritik. So wird Tillich vorgehalten, dass er 1999 die Frage nach dienstlichen Stasi-Kontakten verneinte, obwohl er nach eigenen Angaben als Ratsmitglied zweimal von Stasi-Mitarbeitern aufgesucht und befragt wurde. Dabei ging es um Versorgungsengpässe sowie den Bruch des Dienstsiegels an einer Bürotür.

Falsche Angaben vorgeworfen

Falsch ist nach der Auffassung von Kritikern auch Tillichs „Nein“ zu der Frage, ob er in der DDR ein Nomenklatur-Kader war – also eine offizielle Führungskraft im Staatsapparat. Sie verweisen dabei auf eine Verwaltungsvorschrift des Freistaates von 1994, die Tillichs DDR-Posten eindeutig in diese Kategorie einstuft. Tillich hatte in dem Fragebogen seinen damaligen Stellvertreterposten zudem nicht angegeben, sondern sich nur als Mitglied des Rates bezeichnet. Auch in seinem früheren Kreistagsmandat sah er keine herausgehobene Funktionen und gab es deshalb nicht an.

Die Reaktionen auf die Veröffentlichung fielen unterschiedlich aus. Tillich sagte, er wolle damit vor allem verhindern, dass „die Wahrheit verdreht wird“. Die Linksfraktion sprach dagegen von nunmehr bestätigten Falsch-Antworten, und die Grünen erklärten, Tillich habe seine Glaubwürdigkeit verspielt.
> Enteignungsexperte Stanislaw Tillich - Die CDU als Partei des Eigentums und Tillichs Mitwirkung an 5 Enteignungen in 1989

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